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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
79. Jahresband.1999
Seite: 663
(PDF, 129 MB)
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baut, so daß Freudenstadt bis heute den
größten Marktplatz Deutschlands (4,8 ha)
besitzt. Nach der Wiedereinlösung der
Pfandschaft durch das Hochstift Straßburg
1664 wurde Freudenstadt zur württembergischen
Grenzstadt, die seit 1667 zur Festung
ausgebaut wurde.
Der von Schickhardt entworfene Stadtplan
wird von B. Sandherr in bezug zu
Stadtutopien der Renaissance gesetzt, wobei
die Spannweite von Dürer über Cata-
neo und Andreaes Christianopolis bis hin
zu exotischen Vorbildern wie der Aztekenstadt
Tenochtitlän reicht. Religiöse
Utopien mischten sich mit einem frühabsolutistischen
Ordnungs- und Gestaltungswillen
. Der visionäre Charakter der
Gesamtanlage bildet einen merkwürdigen
Gegensatz zu der Schlichtheit der Einzelgebäude
. Die wirtschaftliche Grundlage
der jungen Stadt war vor allem Bergbau
und Metallgewinnung und -Verarbeitung,
Waldnutzung und Holzverarbeitung sowie
der Handel. Friedrich I. hatte die Paßstraße
über den Kniebis zur Fahrstraße
ausbauen lassen und über das Hochmoor
einen Knüppeldamm legen lassen. In
Freudenstadt entstand die Schicht der
Schauffler, die Getreide, Salz und Tabak
in die Rheinebene exportierten und Wein,
Hanf, Obst und Viktualien einführten. Der
Bergbau in Christophstal, der sehr krisenanfällig
war, lieferte Fahlerz aus Kupfer
, Eisen, Kobalt und Silber. Es wurde
verhüttet, wobei der Holzreichtum von
großem Vorteil war. Aus dem Metall wurden
Waffen, Sensen und Werkzeuge geschmiedet
. Der Wald bot Holzfällern,
Harzreißern, Glasmachern, Köhlern und
Aschenbrennern Arbeit, es entstanden in
Freudenstadt Pech- und Kienrußhütten
und Sägemühlen. Seit 1721 spielte die
Holländerflößerei eine wichtige Rolle.
Die Lage der Bewohner war schon im
ersten Jahrhundert der Stadtgeschichte
schwierig. Schon 1610 wütete die Pest,
wobei 800 von 2000 Einwohnern umkamen
, einem Stadtbrand fielen 1632 140
Häuser zum Opfer; schließlich wurde die

Stadt nach 1634 durch Truppendurchzüge,
Einquartierungen und Plünderungen in
Mitleidenschaft gezogen. Im 18. Jahrhundert
war auch angesichts einer stark steigenden
Bevölkerungszahl der Massenverarmung
unübersehbar; seit 1750 nahm die
Auswanderung immer mehr zu und
erreichte ihren Höhepunkt 1854, als 300
Stadtarme aufbrachen, um zu Fuß hinunter
nach Kehl zu wandern, von wo aus sie
in die USA weiterreisten. In der Vormärzzeit
- Freudenstadt zählte inzwischen
5000 Einwohner - hielt sich ein Teil der
Bewohner durch Notstandsarbeiten am
Leben. Die Hoffnungen auf politische und
wirtschaftliche Veränderungen veranlaß-
ten viele Freudenstädter, 1848/49 sich der
Revolution anzuschließen. Nachdem das
Ministerium Römer am 18. Juni 1849 das
Stuttgarter Rumpfparlament auseinandergejagt
hatte und den badischen Revolutionären
die Unterstützung verweigerte,
wurde am 24. Juni 1849 von Freudenstadt
aus ein Marsch auf Stuttgart initiiert, der
jedoch kläglich scheiterte. Die entschiedensten
Freudenstädter Demokraten
schlössen sich der schwäbischen Legion
an, die mit den Badenern gegen die
Preußen kämpfte.

Die wirtschaftliche Misere wurde in der
2. Jahrhunderthälfte überwunden. Voraussetzung
war, daß die Stadt nach dem
Ausbau der Poststraße auch 1879 einen
Bahnanschluß erhielt (Gäubahn; seit 1886
Verbindung mit Wolfach) und die Stadt
nach Abbruch der alten Festungswälle
1884 Erweiterungsmöglichkeiten bekam.
Betriebe der Metallverarbeitung und die
Textilherstellung siedelten sich an; aber
weniger die Gründung von Industriebetrieben
als der aufkommende Tourismus
eröffneten der Stadt wirtschaftliche
Perspektiven. In der Amtszeit des verdienten
Stadtschultheißen Alfred Hartranft
(1877-1919) entwickelte sich Freudenstadt
zur Kur- und Tourismusstadt. Parks
und Wege wurden angelegt, ein Kurhaus
und ein Theater wurden errichtet. Vornehme
Hotels, die „Schlösser" des aufstre-

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