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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
79. Jahresband.1999
Seite: 665
(PDF, 129 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1999/0665
„Flintenweib" gescholtene Mathilde Franziska
Anneke.

In Tagebuchform, chronologisch angelegt,
kann die Publikation ihre Herkunft nicht
verleugnen: Es ist eine Zusammenstellung
von Geschichten der damaligen Ereignisse
, die die „Badischen Neuesten Nachrichten
" zur Erinnerung an die Revolution
in wöchentlicher Folge veröffentlicht haben
. Das tut der Sache aber keinen Abbruch
- im Gegenteil: In Buchform, durch
zahlreiche zeitgenössische Bilder ergänzt,
ist dies eine Revolutionsgeschichte, die
zum Lesen verführt! Wohltuend für die
Lesbarkeit ist der Verzicht auf eine wissenschaftliche
Darstellungsform mit Fußnoten
, direkten Erklärungen im Text usw.
Wer sich mit dem Thema eingehend befassen
möchte, findet ein fundiertes, auch
aktuelle Arbeiten enthaltendes Literatur-
und Quellenverzeichnis im Anhang.

Heinz. Schaufler

Cord Gebhardt, Der Fall des Erzber-
ger-Mörders Heinrich Tillessen. Ein
Beitrag zur Justizgeschichte nach 1945
(= Beiträge zur Rechtsgeschichte des
20. Jahrhunderts, 14). Tübingen, Mohr
[1995]. 376 S., 198 DM.
Diese juristische Dissertation hat ihren
Schwerpunkt weniger in der Tat und den
noch immer unklaren Hintergründen. Sondern
es geht vor allem um die Anwendung
der vielen Amnestie- und Straffreiheitsregelungen
seit dem Mord im Jahr 1921 -
nach 1945, unter den Augen der französischen
Besatzungsbehörden. In jüngster
Zeit sind zum - aus mehreren Gründen
für die Ortenau interessanten - Thema
Erzberger-Mord einige Arbeiten erschienen
, doch der Verfasser kennt, nennt sie
nicht. Der Aufsatz Lanzenauers im 76.
Jahresband der ORTENAU behandelte vor
allem die Persönlichkeit Erzbergers. Die
Dissertation des Berliner Historikers Martin
Sabrow, 1994 in München unter dem
Titel „Der Rathenaumord" erschienen,
stellte alle Attentate ausführlich dar, die

diesem Täterkreis schon 1921/22 unmittelbar
nach den Taten angelastet wurden:
den jungen Leuten, die „bei Ehrhardt
Morden gelernt haben", wie Carl von Os-
sietzky es einmal ausdrückte. Ehrhardt ist
die zentrale Figur, und Gebhardt gelingt es
noch weniger als Sabrow, dies zu belegen.
Dabei gibt es deutliche Indizien, mehr als
bei Sabrow ausgeführt: Weshalb wurden
Schulz und Tillessen 1933 überhaupt amnestiert
? Es war vor allem das Amnestie-
Gesuch Ehrhardts „an den Herrn Reichskanzler
Adolf Hitler" vom 21. März 1933
für Schulz und Tillessen - und nicht die
Amnestieverordnung vom 21. März allein.
Ihr Schicksal liege ihm besonders am
Herzen, heißt es bei Ehrhardt dezent und
in ungewohnt höflichem Ton. Hitler reagiert
sofort, „wünscht, sich (. . .) für einen
Gnadenakt einzusetzen". Zwei Staatssekretäre
teilen sich am 5. April mit „Der
Herr Reichskanzler legt großen Wert darauf
, dass Schulz und Tillessen nicht bestraft
werden." Im April läuft alles über
die Bühne, und Ehrhardt erhält die Bestätigung
.

Doch viel deutlicher wird die - von Adolf
Geck in den 20er Jahren in Offenburg immer
wieder aufgezeigte - Verantwortung
des Diersburger Pfarrersohnes in einem
Brief von 1954, einer anwaltlichen Drohung
: „Ich bin beauftragt, die Wiederaufnahme
eines Verfahrens zu betreiben",
denn „sowohl vor 1933 als auch nach
1945 wurden lediglich die beiden Attentäter
von den deutschen Strafbehörden verfolgt
, während die Persönlichkeit, die hinter
diesen stand und welche der geistige
Urheber des Attentats war, völlig unbehelligt
blieb". Und dann ganz deutlich: „Der
Befehl zum Attentat wurde von Ihnen erteilt
. Herr Tillessen hat bewusst Sie bisher
geschont". Es folgt eine ausführliche Darstellung
der Umstände in jenem Brief, der
an den kranken Ehrhardt adressiert war -
nach Lörrach, wo er nach der Versetzung
des Vaters seine Jugend verlebt hatte.
Tillessens Anwalt geht noch viel weiter:
er erinnert an die „sog. schwarze Liste",

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