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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
79. Jahresband.1999
Seite: 672
(PDF, 129 MB)
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de des Ortes völlig. Weder in Wort noch
im Bild wird darauf aufmerksam gemacht,
daß in Friesenheim seit langer Zeit eine
jüdische Landgemeinde beheimatet war.
Diese war im Vergleich zu den großen jüdischen
Gemeinden in Schmieheim, Altdorf
oder Kippenheim sicherlich nicht besonders
groß, jedoch: es gab sie, und auch
hier handelte es sich um individuelle Personen
. In Friesenheim lebten an der letzten
Jahrhundertwende mehr als 70 jüdische
Menschen. 1925 waren es dann noch
48 Personen, was prozentual doch immer
noch ein wenig mehr als der badische
Durchschnitt darstellte (vgl. Die Religionszugehörigkeit
in Baden in den letzten
hundert Jahren, bearb. vom Badischen
Statistischen Landesamt, Freiburg 1928,
164/.).

Juden und Jüdinnen lebten und arbeiteten
in Friesenheim und nahmen dort am dörflichen
Leben teil. Doch im vorliegenden
Band über ihr Heimatdorf finden sie keine
noch so kleinste Berücksichtigung. So ist
z.B. ein Bild, das den Friesenheimer Frauenverein
im Jahr 1914 zeigt (S. 49), in den
Band aufgenommen, es wird dabei aber
nicht erwähnt, daß es sich bei einigen der
darauf abgebildeten Frauen um Jüdinnen
handelt f vgl. dazu Jürgen Stüde, Die jüdische
Gemeinde Friesenheim, Friesenheim
1988, 24).

Somit setzt Klem mit diesem ersten Bildband
bedauerlicherweise die Vorgehensweise
Oskar Kohlers fort, die dieser bei
seiner (der bisher einzigen) Friesenheimer
Ortsgeschichte aus dem Jahre 1973 gewählt
hat: die fast vollständige Ignorierung
einer ganzen kulturellen und religiösen
Gruppe innerhalb der Friesenheimer
Bevölkerung (vgl. Oskar Kohler, Friesenheim
- eine Ortsgeschichte in Einzelbildern
, Bühl 1973).

Es herrscht in solchen populären Büchern
anscheinend eine augenfällige Zurückhaltung
dahingehend, jüdisches Leben vorder
Zeit der NS-Herrschaft angemessen
zur Kenntnis zu bringen. Diese Tendenz
hat schon Michael Friedmann mit den

Bildbänden zu Offenburg vorgezeichnet.
Auch hier kommen in typischem Stil die
jüdischen Einwohner/innen der Stadt und
deren Anteil am Gemeindeleben nur am
Rande vor (im Band 3) und zwar ausschließlich
im Zusammenhang mit der Verfolgung
im Dritten Reich, somit also in
ihrer „Rolle" als Opfer. Dies, obwohl zuvor
schon achtzig Jahre Jüdinnen/Juden in
dieser Stadt wohnten, arbeiteten, sich als
Offenburger/innen begriffen. Weiterhin
wird man auch im vielgerühmten Bildband
zur Ortenau von 1996 lediglich ein
einziges Bild zur Thematik des jüdischen
Landjudentums finden, das doch gerade in
dieser Region eine große Bedeutung hatte.
Die Frage, wieso diese Reserviertheit vorherrscht
, kann bislang nur Vermutungen
auslösen. Zu denken wäre an eine latente
Abneigung gegenüber einer historisch
evtl. folgenreichen Zurkenntnisnahme der
„zerstörten Nachbarschaften" (Ulrich
Baumann) in den Dörfern und Städten mit
jüdischen Gemeinden. Denn das Wissen
darum ist bedeutungsvoll. Die während
der 30er Jahre gedemütigten und in den
40er Jahren ausgeplünderten, deportierten
und ermordeten Menschen waren die
Nachbarn der 20er Jahre.
Problematisch ist eine solch lückenhafte
Darstellung vor allem auch deswegen,
wenn man berücksichtigt, daß anschauliche
Bildbände wie der nun über die Großgemeinde
Friesenheim vorliegende, in der
Regel eine weitaus größere Beachtung in
der Bevölkerung finden als wissenschaftliche
Werke. Sie haben somit wohl eine
im Vergleich ungleich stärkere Konstitutionskraft
für historische Sachverhalte. Ein
erwähnenswertes, positives Beispiel stellt
in diesem Zusammenhang der Bildband
von Karl-Heinz Debacher (in Zusammenarbeit
mit Franz Grüninger) über „Alt-
Rust" aus dem Jahre 1992 dar. Bei Debacher
, der auch sonst Gespür sowie fundiertes
Wissen für die Thematik bewiesen
hat, findet die kleine jüdische Gemeinde
des Dorfes ihre angemessene Erwähnung.
Es sind also durchaus andere Wege mög-

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