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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
79. Jahresband.1999
Seite: 677
(PDF, 129 MB)
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Es geht dem Autor um nichts geringeres
als die Leugnung der Existenz der „Deutschen
Jakobiner" und die Entlarvung der
selben als ein Produkt der ostdeutschen
und linken westdeutschen Geschichtswissenschaft
während der Ära des „Kalten
Kriegs".

Reinbold nimmt sein Untersuchungsobjekt
von zwei Seiten in den argumentativen
Klammergriff: mit einer textkritischen
Analyse der bisher beiläufig untersuchten
Quellentexte der deutschen Jakobiner einerseits
und mit einer Ideologiekritik der
Thesen der Jakobinerforschung andererseits
.

Die Studie versucht dem „deutschen Jakobiner
" jenseits von „pauschaler Diffamierung
oder verherrlichender Indienstnahme
für aktuelle Zwecke" durch eine genaue
Quellenlektüre gerecht zu werden. Dabei
soll die „Konstruktion eines kollektiven
Psychogramms", bestehend aus „einem
Kaleidoskop politischer, mentaler, psychologischer
, ideeller und moralischer
Vorstellungen um die deutschen Jakobiner
" entstehen. Die untersuchte politische
Gruppe soll außerdem in das Panorama
des deutschen Bürgertums Ende des 18.
Jahrhunderts eingeordnet werden.
Reinbold schält den ideologischen Kern
der „deutschen Jakobiner" heraus und
steuert damit im Gegenwind zu zentralen
Thesen der traditionellen Nationalismus-
Forschung.

Reinbolds Textkritik räumt mit allen gängigen
Vorstellungen über die „deutschen
Jakobiner" auf: sie seien weder demokratisch
noch revolutionär gewesen: So fehle
ihnen eine revolutionär-demokratische
Grundeinstellung. Sie hätten weder ein
Interesse an einem parlamentarischen
Rechtsstaat oder einem Repräsentativsystem
besessen noch wollten sie die alte
Reichsverfassung gewaltsam beseitigen.
Weil die „deutschen Jakobiner" keine
seien, bezeichnet Reinbold sie fortan als
„deutsche Republikaner" bzw. „deutsche
Linksintellektuelle". Vor allem deren
glühenden Nationalismus arbeitet Reinbold
in seiner Quellenkritik heraus. Er beeinflußte
deren politisches Urteilsvermögen
und Wahrnehmung maßgeblich. Das
Gesellschaftsmodell der „deutschen Republikaner
" sei durch und durch autoritär
ausgerichtet gewesen. Ebenso ausgeprägt:
eine Tendenz zur Mäßigung und der Glaube
an die Allmacht der Bildung. Die politische
Ideologie dieser politischen Gruppe
orientierte sich, in bewußter Abgrenzung
vom „despotischen" Frankreich, an den
„wahren" deutschen Revolutionären Luther
und Friedrich II. von Preußen, die der
Nachwelt ein bleibendes Erbe hinterließen
. Die „deutschen Republikaner"
machten, so Reinbolds These, damit einen
Unterschied zwischen dem ununterbrochenen
Absolutismus in Frankreich und
dem durch die Reformation Luthers und
Friedrich II. frühzeitig modernisierten
Deutschland.

Die französische Revolution wurde in
ihrem Verlauf als „ein nur schwer zu kontrollierendes
Ereignis eingestuft, als eine
Gefahr, die nicht nur Despoten beseitigte,
sondern jegliche Ordnung hinwegzuspülen
drohte". Das Urteil deutscher
Linksintellektueller basierte stärker auf
nationalistischen Vorurteilen als genauen
politischen Analysen. Den Verlauf der Revolution
erklärten sie weniger als Ergebnis
politischer Entwicklungen. Der
„Volkscharakter der Franzosen" sei vielmehr
als Hauptursache dafür verantwortlich
.

Bei ihren Analysen schleppten die deutschen
Linksintellektuellen nicht nur „die
deutsche Aufklärungskritik im Gepäck
mit". Sie hatten ganz konkret das in ihren
Augen stark reformbedürftige Heilige Römische
Reich deutscher Nation im Hinterkopf
.

Reinbolds Fazit: Die politische Weltanschauung
der deutschen Republikaner war
ein Amalgam aus Nationalismus und Kosmopolitismus
, die die eigenen Vorstellungen
von Tugend und Vernunft in der Politik
auf andere Länder übertrug. Es war ein
„sehr deutscher Kosmopolitismus".

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