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Ludwig Uibi'l
tigten. Den betreffenden Zitaten und Behauptungen ist die Jahreszahl des
Protokolls in Klammern beigefügt.7
Mindestens einmal im Jahr verlas der Pfarrer von der Kanzel das Edikt
„Gegen die Verhehlung (Verheimlichung) der unehelichen Schwangerschaft
", auch „Hurendekret" genannt (1741). Die ledigen schwangeren
Frauen waren danach verpflichtet, ihren Zustand dem Pfarrer anzuzeigen.
Was sich nach dieser Meldung in der Regel abspielte, soll anhand eines
(leicht verkürzten) Originaltextes aus dem Protokoll des Jahres 1754 dargestellt
werden:
„Anna Catharina . . . Hermann . . . erscheint (am 5. 3. 1754) und bekennet
, daß sie schwanger worden sei und zwar von Augustin Lentz, einem
Balzhofener Bauernknecht allda, welcher auch vor dem Pfarrer dasselbe
eingestanden und sich erboten, die geschwächte Person zu heiraten.
Nachdem aber derselbe vor einigen Tagen echappiert (= entflohen),
als(o) wurde die geschwächte Person vor das Presbyterium gefordert. Es
erschien solche und wurde nach geschehener Vorstellung aus Gottes Wort
bis nach geschehener Kirchenbuße vom Hl. Abendmahl ausgeschlossen,
übrigens aber beschlossen, daß solches dem Hochfürstlichen Oberamt
gehorsamst einberichtet werden soll." Nach einem halben Jahr erfolgte
die Kirchenbuße: „A. Catharina . . . Hermann . . . wegen dem begangenen
Laster der Hurerei vom Hl. Abendmahl ausgeschlossen worden, hat
den 1. Sept. (1754) in der (Sonntag-)Nachmittagskirche öffentliche Kirchenbuße
getan und die Absolution empfangen und dadurch das aditum
(Zugang) zur Beicht und zum Abendmahl wieder erhalten. Bei welcher
Gelegenheit sowohl ihr als insonderheit der ledigen Jugend aus Gal.IVJ
eine Vermahnung gegeben worden (irret euch nicht, Gott läßt sich nicht
spotten)."
So ging das Jahr um Jahr. Aber im Jahre 1760 bahnte sich eine Änderung
der Bußpraxis an. Georg Fritz, ein württembergischer Deserteur, der
ein Grauelsbaumer Mädchen geschwängert hatte, wollte wieder zum
Abendmahl zugelassen werden:
„. . . hat sich um die Rezeption geziemend gemeldet, aber sich zur öffentlichen
Kirchenbuße nicht verstehen wollen . . . Nachdem nun (der) Superintendent
, die schriftliche Erlaubnis erteilt, daß er praevia censura cor-
am Presbyterio admittiert werden dürfe . . . also wurde ihm die nötige cor-
rection erteilt und darauf zum Abendmahl zugelassen."
Von diesem Zeitpunkt an ist in den Protokollen kein Hinweis mehr auf
eine öffentliche Kirchenbuße zu finden. Schon 1752 hatte Pf. Neßler eine
Kirchenbuße in die Samstag-Vesper verlegt, die nur von wenigen Leuten
besucht war. Er war offenbar kein Freund einer öffentlichen Demütigung
der Beschuldigten. Wahrscheinlich war er der Meinung, daß man das Entgegenkommen
, das man dem Württemberger gegenüber zeigte, einem Einheimischen
nicht verweigern sollte.
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