Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
82. Jahresband.2002
Seite: 128
(PDF, 145 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2002/0128
128

Rita Breit

dem Lehrer Haug, der einen Hirtenjungen so geschlagen haben soll, dass
der arme Junge starb. Zusammen mit seiner Tochter Patenamt für zwei Sintikinder
- der Taufeintrag ist merkwürdig in den äußersten Kirchenbuchzipfel
gerückt.

Wer kegeln will, muß auch aufstellen wollen. Arm, umso emsiger. Das
Tischtuch aufgelegt. Den Boden des Gartenhauses mit Rosenwasser besprengt
. Ihm vielleicht einen Krug Wein auf den Tisch gestellt, an dem er
gerade liest - heimische Reben, am Festtag Markgräfler? - die Taufsuppe
fast fürstlich gereicht - Das bisschen Freude, das ein Erwachsenenleben
bereit hält, er mag's aus den Büchern gezogen haben. Wurst wider Wurst
und der Magd ein Trinkgeld. Ein Margritenbusch und Tränendes Herz.
Mittendrin muss der Traum die Wirklichkeit wieder eingeholt haben. Wirtstraum
. Dichtertraum. Angelesenes. Aufgeschriebenes. Ein guter Wirt wirft
nichts weg ... Geschautes. Erdachtes. Da stopft sich ein maßlos Wissbegieriger
, schon hinreichend Kundiger voll mit noch stärkerer Passion, noch
mehr Wissen ... rüstete auß den Abschrötlin wieder ein Frühstück / oder
vielmehr ein Imbis zu ...

Bär, Wolf, Gänse, Kälber, Wildhühner, Katzen, Immen, Störche, Wiesel,
Häher, Turteltauben, Hirsch, Amseln und Rebhühner, Fledermaus und Eule
, Schlangen, Krotten, Raben, Nachtigall, Kuckuck, Krebse, Hasen, Forellen
- nicht zu vergessen die Müllerflöhe, die den Kerls lausig zugesetzt haben
. Kann der Wirt „Zum silbernen Stern" diese Menagerie im simpliciani-
schen Sinn nicht schlicht in zwei Untergruppen einteilen: essbar und nicht
essbar? Jedenfalls hat der Autor auf die Frage nach Simplicii Lieblingstier
die Wahl gehabt zwischen: Ochse am Spieß, Spänsau oder gefüllter cale-
cutischer Hahn (Truthahn).

Irgendwo weit entfernt sind Türkenkriege und in Zürich gibt es eine
Pulverexplosion. Als das erste Gerücht vom Ehrverlust des Renchener
Schultheißen und Vakanz des Schultheißenamtes zu ihm dringt, wird der
Wirt „Zum silbern Stern" über den Büchern gehockt haben. Im Ausschank.
Oder im Bottich, beim Zehennägelschneiden.

Simplicissimus hat nie keines künstlichem Mahlers wahrgenommen als
dess Frühlings / und Vorsommers / welche den ganzen Erdboden mit den
allerschoensten Blumen zierten. Seinen umtriebigen Simplicissimus lässt
der Schultheiß von Renchen von weit her zurück in diese Gegend kommen:
in den Grießbacher Saurbrunnen mit seinem Kurbetrieb, Kurzweile, Spielen
, Fressen und Saufen: sie wandern also miteinander die Donau hinauf
nacher Ulm und von dannen in den obgesagten Saurbrunnen, weil es
eben im Mai und lustig zu reisen war.5 Bisher fuhr die Zeit express. Hier
nun scheint sie stillzustehen. Nirgends sonst hat er derart ausdauernd im
Schatten einer Tanne im Gras gesessen oder sich hingelegt, ist im Wald
oder das Tal hinunter spazieren gegangen, hat am Ufer der wilden Rench
den Nachtigallen zugehört.

*


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2002/0128