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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
82. Jahresband.2002
Seite: 130
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Rita Breit

Händen zurück. Das Fremde hat sich nicht wirklich offenbart. Zwischen
gewaltigen Uferbrocken beschwört der Baumschatten des Mummelsees
weiterhin jene abscheuliche Tiefe des Sees.

*

Zum Mooskopf mit seiner „Adieu Welt"-Melancholie auf Fußpfaden -

Bärenweg, Moosweg, Diebsweg und Geißschleifweg - ein stundenlanger,
mühseliger Anstieg, mitunter mit Warten, bis dir die Seele wieder nachkommen
mag. Dann aber wieder jener eine ganze Welt umspannende Ausblick
- in Grimmelshausens erster Naturschilderung in deutscher Sprache:
ich wohnete auff einem hohen Gebürg die Moß genant / so ein stück vom
Schwartzwald: und liberal mit einem flnstern Dannen-Wald überwachsen
ist / von demselben hatte ich ein schönes Aussehen gegen Auffgang in das
Oppenauer Thal und dessen Neben-Zincken; gegen Mittag in das Kintzin-
ger Thal und die Grafschafft Gewitzeck / allwo dasselbe hohe Schloß zwischen
seinen benachbarten Bergen das Ansehen hat / wie der König in einem
auffgesetzten Kegel-Spill; gegen Nidergang kondte ich das Ober und
UnterElsaß übersehen / und gegen Mitternacht der Nidern Marggraffschaft
Baaden zu / den Rheinstrom hinunter; in welcher Gegend die Statt Straßburg
mit ihrem hohen Münster-Thum gleichsamb wie das Hertz mitten in
einem Leib beschlossen hervor prangett.1

*

Die Schneider machen uns Kleider, daraus wir Lumpen machen. Alt geworden
, der Schultheiß, der Dichter. Die anderen auch. In Renchen, wo nur
17 Familien jenen Krieg überlebt haben, sind Pfarrhaus und Kirche aufgebaut
. Die Landschaft ist stattlich. Manchmal schläft auch der große Homer.
Der hier, Schultheiß und Dichter und Familienvater, hat nahezu manisch
Bauteile zum gewaltigen Weltentwurf zusammengetragen. Gebaut und gebaut
. Geschrieben und geschrieben. Mit fein gespitztem Gänsekiel. Die
Moos atmet Grimmelshausens Geist. Auch der Mummelsee? Auch die
Kreide, mit der der Wirt sein Menü an die Schiefertafel schreibt: MARTINSGANS
UND METZELSUPPEN.

Grimmelshausens Ewigwährender Kalender (1671), eine Art gewaltiges
Kompendium von beachtlichem Unterhaltungswert aus Praktischem, Belehrung
und Unterhaltung, gilt als hermeneutischer Lehrpfad durchs Gesamtwerk
und nichts Geringeres als die Welt, die im Verständnis seiner
bäuerlichen Umgebung auf magische Weise deutbar, mithin veränderbar
scheint, weil der Einfluss der Gestirne auf menschlichen Charakter und
Konstitution, auf Tiere, Pflanzen, Metalle, Gestein zeitentsprechend ebenso
für wirklich gehalten wird wie seine dementsprechende Nutzung. Es


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