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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
82. Jahresband.2002
Seite: 258
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Ulrich Coenen

len europäischen Höfen vorherrschte. Das ursprüngliche Jagdschloss entstand
über x-förmigem Grundriss und besitzt einen überhöhten Zentralsaal
.44 Aus den erhaltenen Skizzen Juvarras ist ersichtlich, dass er beim
Entwurf zunächst zwischen französischen und italienischen Bautraditionen
schwankte 45 Dann entschied er sich für die italienische Sternform mit niedrigen
Flügeln um einen hohen Kernbau. Auch andernorts fand dieser Typus
fast gleichzeitig Anhänger, doch Stupinigi ist mit seinen ausgewogenen
Verhältnissen der architektonischen Massen und der reichen Innenausstattung
der bedeutendste Vertreter. Anregungen für seinen Plan boten Ju-
varra die geometrischen Grundrissfiguren der Renaissance-Villen Andrea
Palladios oder Sebastiano Serlios. Unmittelbare Vorbilder sind die Entwürfe
Johann Bernhard Fischer von Erlachs für das Lustschloss des Grafen
Althan in der Rossau bei Wien (um 1685) bzw. Germain Boffrands für
Schloss Malgrange bei Nancy (vor 1711, verändert ausgeführt).46 Beide
Anlagen besitzen einen x-förmigen Grundriss um einen zentralen Festsaal;
Juvarra erhielt vermutlich durch Kontakte des Turiner Hofes zu Wien bzw.
durch seine Reise nach Paris Kenntnis von diesen Projekten.

21 Jahre als Hofarchitekt des Hauses Savoyen reichten Juvarra, um die
barocke Kulturlandschaft Piemonts entscheidend zu verwandeln.47 Es ist
erstaunlich, was er in diesen zwei Jahrzehnten alles geschaffen hat. Mit
seinem Wechsel von Rom nach Turin gab die „Ewige Stadt" zu Beginn
des 18. Jahrhunderts die Führung der architektonischen Entwicklung an
Piemont ab. War Juvarras Lehrer Fontana Initiator einer Entwicklung, die
als puristische Gegenbewegung zur Pathetik des Hochbarock nach dem
Tode Giovanni Lorenzo Berninis (1680) aufkam, so repräsentiert Juvarra
eine Strömung, die als italienische Parallele zum französischen Rokoko
verstanden werden darf. Juvarra ist zwar ein kühner Neuerer, höchst komplizierte
Raumgebilde, wie in Piemont sein Vorgänger Guarini und sein
Nachfolger Vittone, hat er jedoch nicht geschaffen. Seine zahlreichen erhaltenen
Skizzen zeigen, dass Juvarras Konzeptionen zunächst von leicht
überschaubaren Raumvorstellungen des 16. Jahrhunderts ausgehen, ehe
sie zu Gebilden umgeschaffen werden, deren Verständnis sich erst dem
eingehenden Studium erschließt. Alle seine Gebäude zeichnen sich durch
eine große Leichtigkeit aus, die Schwerkraft des Steins scheint überwunden
. Bei aller Originalität übernimmt Juvarra aber auch die geläufigen
Baugedanken seiner Zeit, um ihnen dann doch seine unverwechselbare
Prägung zu geben.

Schloss Stupinigi wurde durch den früheren Theaterarchitekten Juvarra
bewusst auf eine szenografische Wirkung als effektvoller Point de vue angelegt
. Auf diese Weise bildet das Schloss den Abschluss einer breiten
Allee (die ursprünglichen Ulmen wurden in den vergangenen Jahrzehnten
bedauerlicherweise durch Pappeln ersetzt), die von Turin hierher führt.
Beiderseits der Straße wurden auf einer Länge von rund 400 Metern ab


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