Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
82. Jahresband.2002
Seite: 303
(PDF, 145 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2002/0303
303

Leutesheim und Regine Jolberg
Die Geschichte einer Beziehung

Gerhard Lötsch1

Auf viele Jahrzehnte hinaus trübte, ja vergiftete ein 1925 geschriebenes
Lebensbild die Erinnerung an das Verhältnis Regine Jolbergs2 zu Leutesheim
, dem Ort ihres ersten Wirkens. „Sie hatte die Kinder des Dorfes neun
Jahre lang in reinster Liebe gepflegt. Den Eltern hatte das nicht das Geringste
gekostet. Die selbstlose Frau hatte das, ohne ein Wort darüber zu
verlieren, alles freiwillig und umsonst getan. Sie hatte alle Kinder in jeder
Weise beschenkt und erfreut und ihre ganze Lebenskraft sowie die ihrer
Kinder der Gemeinde gewidmet. In jeder Not war das Haus der Mutter Jolberg
eine Zufluchtsstätte für jedermann in der Gemeinde, und nun hinausgejagt
!"3 Die Beziehung zwischen Regine Jolberg und Leutesheim lässt
sich auf diesen einfachen Nenner jedoch nicht bringen. Das Studium der
Quellen ergibt ein anderes, ein sehr eigenartiges und komplexes Bild.

Am 23. Juli 1833 versetzte der Evangelische Oberkirchenrat4 den Pfarrkandidaten
Ernst Fink5 als Pfarrverweser nach Leutesheim im Hanauerland
. Am folgenden Sonntag, den 28. Juli, wurde er der Gemeinde vorgestellt
. In seiner Predigt zu Mt. 28, 16-20 sagte der damals 27-Jährige: „Der
Glaube muss lebendig sein. Wir müssen das Wort auch tun. Denn mit der
Tat kann man am besten lehren, durch das Leben und den Wandel kann
man am besten den Geist Christi zeigen und verbreiten."6

In der zwei Jahre später angefertigten „Statistik für 1835" zählte Fink
135 Familien, darunter 268 Kinder unter 14 Jahren und 477 Erwachsene,
zusammen 745 Seelen.

Sein besonderes Augenmerk galt von Anfang an den Kindern, deren Eltern
hart um das Leben und oft auch nur um das Überleben ihrer Familien
arbeiten mussten. Leutesheim war kein reiches Dorf, die „Kompetenz"7
des Pfarrers betrug 676 Gulden im Jahr8 und war die niedrigste im ganzen
Hanauerland.9 Etwa die Hälfte der Vergütung bestand aus Sachleistungen:
Weizen, Korn, Gerste, Hafer und Holz; dazu die Nutzung von Pfarrhaus
und Garten. Die Bareinnahmen bestanden großenteils aus „gnädigen Zulagen
", zum kleineren Teil aus Gebühren für Amtshandlungen und Urkunden
.

Als Pfarrer war Ernst Fink großherzoglicher Beamter und damit Vertreter
der Obrigkeit. Mit großem Einsatz mühte er sich um die Moral des Dorfes
. Fast täglich notierte er in Stichworten seine Gespräche mit alten und
jungen Menschen.10 Besonders bekümmerte ihn die „nächtliche Schwärmerei
der ledigen Jugend" und der daraus resultierende geringe Gottes-


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2002/0303