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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
82. Jahresband.2002
Seite: 306
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Gerhard Lötseh

„Kleinkinderschule" einzurichten. Aber Bedenken, dadurch in elterliche
Rechte einzugreifen, ließen den Plan auf die lange Bank geraten. Im
Frühjahr 1839 kehrten Clara Winter,26 die Schwester von Ernst Finks
Heidelberger Freund Carl Winter, und deren Freundin Regine Jolberg auf
der Fahrt nach Straßburg im Leutesheimer Pfarrhaus ein. Thema langer
Gespräche war die „Volksbildung", von der Regine Jolberg sagte, sie sei
„eine der vielen sogenannten hohen Ideen, die mich beseelten".27 Ihr
wurde klar, dass niemand das „Volk" würde heben können, der nicht bereit
wäre, von den Höhen der Ideen hinabzusteigen in die Niederungen
der Wirklichkeit.

Die Gespräche im Freundeskreis bewogen Ernst und Friederike Fink,
ihr lange aufgeschobenes Vorhaben einer „Kleinkinderschule" in die Tat
umzusetzen. Deren Beginn kündigte Fink im August 1839, zur Erntezeit,
von der Kanzel herab an. Wider allen Erwartens war das Echo im Dorf
groß. „Bald wurden alle Kinder im Pfarrhof abgeliefert, oft schon am frühen
Morgen, und am Mittag so zeitig, dass die gutherzigen Pfarrleute
kaum mehr Zeit fanden, ihre Mahlzeiten einzunehmen."28 Doch dann ging
die Arbeit über Friederikes Kraft; sie war schwanger geworden.

Als Regine Jolberg von der Bedrängnis der Freunde hörte, beschloss
sie, „in das nette, Straßburg gegenüber am Rhein, gelegene Leutesheim zu
ziehen und mit den Freunden Fink gemeinsam zu arbeiten". Ihr Vater wollte
sich mit solchem Plan nicht abfinden. Ihn peinigte die Vorstellung, seine
Enkelinen in einem Dorf zu wissen, „das sich damals nicht einmal auf einer
guten Karte von Baden vorfand und von dem er nichts erfahren konnte,
als dass dort viel Hanf gebaut werde, dessen Zubereitung die Luft verpeste
."29 Regine Jolberg setzte ihren Willen durch. Ernst und Friederike
Fink versprachen, bei der Beschaffung von Wohnung und Einrichtung zu
helfen. Als aber am Abend des 1. August 1840 ihr Reisewagen in Leutesheim
einfuhr, hatten die Pfarrleute erst am selben Tag die Nachricht ihrer
bevorstehenden Ankunft erhalten.30 „Einige Tage wohnten wir alle im
Pfarrhaus, da unsere künftige Wohnung erst war angestrichen worden."31
„Wir alle", das waren Regine Jolberg, ihre beiden Töchter, die Pflegetochter
und eine Gehilfin, insgesamt fünf Personen. Die „lieben, gütigen Pfarr-
leute" halfen „mit Rat und Tat", nicht anders die Mutter der Pfarrerin, die
als Stütze ihrer hochschwangeren Tochter in Leutesheim weilte.

Als wenige Tage später das gemietete Häuschen am östlichen Ende des
Dorfes bezugsfertig war, hatten nicht alle darin Platz. „Ein Teil wohnte im
Pfarrhaus." Nicht ohne Mühe fügten sich Regine Jolberg und die Ihren
dem Gemeindeleben ein, das bestimmt wurde von der 100-Jahr-Feier der
Kirche am 7. August. Ernst Fink stellte seine große Studierstube als Kinderschule
zur Verfügung und begnügte sich mit einem anstoßenden Käm-
merchen, „wo er natürlich durch das durch einander wogende kleine Volk
keine große Ruhe zum Studieren hatte".


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