Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
82. Jahresband.2002
Seite: 310
(PDF, 145 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2002/0310
310

Gerhard Lörsch

In Leutesheim erlosch die „Teilnahme an der stillen Pflege der Kinder".
Es gab keine Stille mehr. Regine Jolberg hielt fest: „Nur ein kleines Häuflein
getreuer Eltern und Kinder blieb zu unserem Trost."56 Für Sonntag,
den 13. Mai 1849, lud der Landeskongress der badischen Volksvereine zur
Landesvolksversammlung nach Offenburg. Mehr als 30000 Menschen
strömten zusammen. „Auf großen Leiterwagen, zum Teil sechsspännig mit
prächtigen Pferden fahrend, kamen die Mannen aus dem sogenannten Hanauer
Ländel, kräftige, frohe Burschen und Männer in ihrem unvergleichlichen
Kostüm, in der Sommer wie Winter gleichmäßig getragenen Pelzkappe
, in roter Weste, weißer Jacke und schwarzen Hosen."57 Unter ihnen
waren auch viele Leutesheimer, an ihrer Spitze Bürgermeister Mathias
Zimmer. Spät am Abend kehrten sie zurück, sicher nicht mehr ganz nüchtern
. Mit Drohungen fuhren sie an Regine Jolbergs Anstalt vorbei.58

Die Revolution brach aus. Der Großherzog verließ Karlsruhe. Am Mittwoch
, den 16. Mai überbrachte der Ortsbote den Befehl, alle Ortsfremden
hätten sich binnen 24 Stunden aus Leutesheim zu entfernen. Auf Regine
Jolbergs Einwand, Großherzog und Staatsministerium hätten die Anstalt
genehmigt, antwortete der Bürgermeister, das gehe ihn nichts an. Es gebe
keinen Großherzog mehr und auch kein Staatsministerium. „Ich bestellte
sogleich zwei Wagen auf 1 Uhr Mittags. Mittlerweile war es im Dorf bekannt
geworden, der Hof füllte sich mit Müttern und Kindern. Es war ein
überwältigender Augenblick, als ich zum letzten mal unter ihnen stand,
noch einmal mit ihnen betete, sie ermahnte, nicht zu vergessen, was wir sie
gelehrt. Die Kinder wussten nicht, wie ihnen geschah und sahen uns
stumm und verdutzt an; die Mütter weinten. Der Hof war ganz voll von
Menschen. Niemand konnte es glauben oder begreifen, dass wir fort müss-
ten, aber es musste doch sein, denn niemand rührte sich für uns."59

Sophie Jacky,60 eine aus Königsfeld stammende Schwester, hielt fest:
„Wie froh war ich, als ich die teure Mutter Jolberg bei deren Besuch hier
kennen lernte, die mich mit sich nach Leutesheim nahm, wo sie eine Bildungsanstalt
für Kleinkinderlehrerinnen errichtet hatte. Hier konnte ich in
jeder Weise viel lernen und verlebte eine schöne Zeit daselbst. Aber es
brauste der Sturm der Revolution daher. Den 16. Mai wurde die Anstalt
vertrieben. Es ist nicht zu sagen, was die Leute uns alles androhten. Kleine
Kinder konnten zu uns in der Schule sagen: ,Was wollt ihr denn, ihr werdet
ja erschossen!' Und als wir in Kork in den Dampfwagen stiegen, sagte eine
gut gekleidete Dame: ,Da sollte man mit der Kanone hinein schießen.' Es
durfte uns aber kein Übel begegnen, nicht einmal Furcht überkam uns. Bei
einer glaubensstarken Wirtin fanden wir, 16 Personen an Zahl, Aufnahme,
und blieb die Anstalt dort, bis sie nach Nonnenweier verpflanzt wurde."61

Nach Niederschlagung der Revolution wurde Bürgermeister Zimmer
seines Amtes enthoben.62 In einer Akte des Bezirksamtes Rheinbischofsheim
ist zu lesen: „Geschehen den 17. Juli 1851. Es erscheinen heute Alt-


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2002/0310