Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
82. Jahresband.2002
Seite: 434
(PDF, 145 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2002/0434
434

Uwe Schellinger

Hagenström-Horloff kennen, mit der er im Frühjahr 1908 zuerst nach Nizza
und daraufhin nach Monte Carlo reiste.16 Die berühmten Spielbanken
dieser Städte bzw. wohl eher die finanzkräftigen Besucher dieser Orte dürften
auf Kahn eine große Anziehungskraft ausgeübt haben. Es wird von
„großen Spielverlusten" und nicht bezahlten Hotelrechnungen berichtet.
Am l. Mai 1908 traf das Paar schließlich in Baden-Baden ein („Hotel Stefanie
"). Die jährlichen Pferderennen auf der Rennbahn in Iffezheim hatten
die beiden in die mondäne Stadt geführt. Eine erste Rechnung bezahlte
Kahn noch mit dem Honorar für Seancen, die er für den Hotelbesitzer und
den Hoteldirektor abhielt, in denen er interessierte „Kunden" fand. Für seinen
weiteren Aufenthalt ließ er sich von den beiden erst einmal verschiedene
Kredite geben und brachte sie sogar dazu, ihm für vorgetäuschte Pferdewetten
in England erhebliche Summen zu überlassen.

Dann aber verließ Kahn am 6. Juni 1908 allein, und natürlich, ohne seine
Schulden beglichen zu haben, das Hotel und verschwand über Karlsruhe
nach Berlin. Bei seiner Flucht hatte er zudem Schmuckstücke seiner Begleiterin
entwendet, die er später versetzte. In Berlin versuchte er mit der
Inhaberin eines Korsettgeschäftes seinen Trick mit den Pferdewetten ein
weiteres Mal. Schon diese ersten dokumentierten Fälle werfen Licht auf
die Vorgehensweise Ludwig Kahns, die darin bestand, dass er zuerst seine
Gegenüber mit hellseherischen Künsten verblüffte, um sie dann umso
leichter zur Überlassung von Geldsummen für Wetteinsätze oder für sonstige
Kredite zu bewegen. Kapital, das diese dann freilich niemals mehr
zurückbekamen. Schnell entpuppte sich der bestaunte Hellseher als Betrüger
. Doch jetzt hatte Kahn den Bogen reichlich überspannt: Am 17. Juli
1908 wurde er in Berlin verhaftet.

Ein Hellseher wird besichtigt: Kahn im Fokus von Psychiatrie und Justiz

Zum ersten Mal war Ludwig Kahn mit dem Gesetz in Konflikt geraten,
oder aber: Zum ersten Mal hatte ihn das Glück verlassen. Für sein nunmehr
anstehendes Gerichtsverfahren wurde er wieder ins Großherzogtum
Baden überführt und ins Freiburger Untersuchungsgefängnis verlegt. Dort
wurde er erstmals intensiveren medizinischen und psychiatrischen Untersuchungen
unterzogen, um sich über seine Schuldfähigkeit ein Bild machen
zu können. Diese Prozedur hatte er womöglich selber angeregt, um
die Justiz von seiner besonderen psychischen Konstitution, gepaart mit verminderter
Zurechnungsfähigkeit in bestimmten Situationen, zu überzeugen
. Zu seiner Verteidigung hatte er außer der Beteuerung seiner außergewöhnlichen
Fähigkeiten angegeben, er leide unter unkontrollierten
„Bewusstseinsstörungen". Zeittypisch wurden Kahns behauptete mediale
Fähigkeiten in einen pathologischen Zusammenhang gestellt und einer
psychiatrischen Deutung unterworfen.17


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2002/0434