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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
82. Jahresband.2002
Seite: 440
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Uwe Schellinger

„aus aller Herren Länder" zugegangen waren. Sämtliche ihm angebotenen
Interpretationen, insbesondere auch die, dass er von Kahn in Hypnose versetzt
worden wäre, wollte Schottelius als Augenzeuge nicht gelten lassen.
Er war von der Ernsthaftigkeit seiner Experimente überzeugt, schloss deshalb
eine Täuschung aus - und gab den Fall weiter: „Ich wollte durch meinen
Bericht nur den ersten objektiv zweifellos feststehenden Fall von
.Hellsehen' zur Kenntnisnahme gebracht haben, um dieses von der exakten
Wissenschaft etwas vernachlässigte Gebiet weiterer Forschung zugänglich
zu machen."36

Hatte man es bei Ludwig Kahn wirklich, wie fasziniert verkündet wurde
, mit einem „menschlichen Rätsel" zu tun, mit einem Menschen, „der
wirklich hellsehen kann"?37 Max Schottelius löste mit seinem Bericht tatsächlich
eine scharfe Debatte über diese Frage aus, die zum einen im renommierten
Journal für Psychologie und Neurologie, der Zeitschrift des
Neurobiologischen Instituts in Berlin, geführt wurde, zum anderen von der
Berliner Klinischen Wochenschrift, einem Ärzteblatt, ausging.

In Berlin nahm sich der Medizinprofessor Robert Meyer der Sache an.
Dieser zeigte sich verwundert über das gegenwärtige Interesse seiner Berufskollegen
für die Welt des Paranormalen.38 Dennoch einigermaßen aufgeschreckt
durch die von Schottelius veröffentlichten Berichte, reiste er
Ludwig Kahn hinterher, traf diesen jedoch „in einem körperlich und psychisch
heruntergekommenen Zustand" an. Kahn ließ sich während der ganzen
vier Tage, an denen Meyer mit ihm sprach, nicht zu einem Experiment
bewegen und schlug einen späteren Termin vor.39 Nun jedoch sollte Ludwig
Kahn seine Vergangenheit in die Quere kommen. Denn inzwischen
waren im März 1913 in Paris und im Juli des Jahres im deutschen Kurbad
Kissingen Experimente mit Kahns Lehrmeister Bert Reese angestellt worden
, die in den wissenschaftlichen Blättern dokumentiert worden waren40
und darüber hinaus vor allem eine erhebliche Resonanz in der Berliner
Presse erhalten hatten.41 Robert Meyer wurde auf diesen ähnlichen Fall
aufmerksam gemacht, nachdem sich ihm Kahn „mit vielem Trug und List
[!] und mit einem Vorschuss entzogen" hatte. Meyers Hauptinformant war
sein Berliner Arztkollege Max Dessoir, damals einer der wichtigsten Vertreter
der parapsychologischen Forschung in Deutschland 42 Dessoir war
keineswegs von Reeses übernatürlichen Fähigkeiten überzeugt. Er hatte
schon einige Jahre zuvor Reeses Auftritte aufgrund von eigenen Recherchen
kritisch hinterfragt, als dieser 1907 zum ersten Mal in der Berliner
Presse für Furore gesorgt hatte.43

Robert Meyer beschäftigte sich nunmehr ebenfalls mit dem vielbestaunten
amerikanischen Medium, gewissermaßen als „Ersatzmann" für den
plötzlich verschwundenen Kahn. Er konsultierte Reese und ihm gelang es,
dessen Vertauschungstrick zu entdecken: „Nun lässt sich Reese einen Zettel
an die linke Schläfe halten; dabei hält man die Hand gewöhnlich nicht


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