http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2002/0452
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Uwe Schellinger
Louis Kahn
Ludwig Kahn, ca. 1931
(l.M.l. Paris, Archiv, 20/5)
inzwischen der Gerichtsvollzieher die Ansprüche anderer Gläubiger geltend
machte; sogar ein amerikanischer Konsul ging Kahn ins Netz: Der Diplomat
hatte ihm 25.000 Francs zum Kauf von Wertpapieren überlassen
und von Kahn danach nur noch 5.200 Francs zurückerhalten. Schließlich
wurde ein Juwelier im Faubourg Montmartre sogar um 100.000 Francs betrogen
. Ludwig Kahn hatte sich in Paris zum Großkriminellen entwickelt.
Die Blätter der Metropole sowie weitere Zeitungen des Landes griffen den
Stoff des angeklagten Hellsehers begierig auf und berichteten über seine
Spitzbübereien.100
Vor der Strafkammer tauchte in Vertretung des I.M.I. sein früherer Vertragspartner
Eugene Osty101 als Zeuge auf. Direktor Osty hätte eigentlich
allen Grund dazu gehabt, Kahn zu belasten, hatte dieser seinem Institut
doch sechs Jahre zuvor einen beträchtlichen finanziellen Schaden zugefügt.
Es ist nun durchaus interessant zu sehen, dass Osty Ludwig Kahns außergewöhnliche
Leistungen, von denen er überzeugt war und die er auch jetzt
wieder betonte, höher wertete als dessen kriminelle Handlungen. Man dürfe
, so Osty, Kahn nicht mit den üblichen Maßstäben messen. Insofern ließ
er das Gericht wissen: „Von uns selbst hat er 4.500 Francs auf Nimmerwiedersehen
ausgeliehen und wir hätten ihn verklagen können. Aber wir
verstehen sehr gut, dass seine paranormalen Fähigkeiten eine Bewusst-
seinsstörung mit einschließen können."102 Man habe Kahn seine Tat „ver-
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