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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
82. Jahresband.2002
Seite: 455
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Faszinosum, Filou und Forschungsobjekt: Das erstaunliche Leben des Hellsehers Ludwig Kahn 455

waren 1943 nach der Kapitulation der italienischen Regierung in ihrem
Haus in der Ortschaft Villa Santa Maria in der Nähe des Flusses Sangro
festgesetzt worden. Nicht weit von der Ortschaft entfernt hatten die deutschen
Besatzer ein Kriegsgefangenen-Lager errichtet, aus dem aber in den
Wirren der italienischen Kapitulation etwa 200 alliierte Soldaten fliehen
konnten. Obwohl die Kahns dabei ihr Leben riskieren mussten, halfen sie
26 britischen und amerikanischen Soldaten dabei, zu ihren eigenen Truppen
entkommen zu können. Allerdings wurden sie bei ihrer Fluchthilfe von
deutschen Soldaten entdeckt und in ihrem Haus festgehalten. Die beiden
älteren Herrschaften wagten daraufhin mutig eine Flucht über die Rückseite
ihres Hauses, von wo aus sie sich mit Bettlaken abseilten und zu den alliierten
Truppen flüchteten. Von diesen wurden sie nach Algier gebracht.
Ludwig und Leontine Kahn hatten all ihren Besitz in dem Haus in den
Abruzzen zurücklassen müssen, waren dafür aber mit ihrem Leben davongekommen
."4 Dass dies in diesen Jahren durchaus ein Glücksumstand
war, wenn man in Europa lebte und jüdischer Herkunft war, zeigt das
Schicksal der Verwandten, die Kahn zu dieser Zeit in seiner Heimatstadt
Offenburg noch hatte: 1942 wurde seine Nichte Sylvia Cohn, die Tochter
seiner Schwester Emma, in Auschwitz ermordet, 1944 deren Tochter Esther,
Ludwig Kahns Großnichte."5

Von Algerien aus emigrierten Ludwig und Leontine Kahn im Frühjahr
des Jahres 1946 in die Vereinigten Staaten, das Land, das Kahn aus seiner
erfolgreichen Zeit bestens kannte."6 Nach einem Zwischenaufenthalt, offenbar
in Vermont, kamen die Kahns im Herbst des folgenden Jahres nach
New York, wo mittlerweile u.a. Kahns Nichten Fanny Weil und Bertha
Meyer, die Töchter seiner Schwester Minna, mit ihren Familien lebten.117

Das kinderlos gebliebene Ehepaar, nunmehr als mittellose Flüchtlinge
in die amerikanische Metropole gekommen, musste sich in den folgenden
Jahren mehr schlecht als recht durchschlagen. Es fiel Ludwig und Leontine
Kahn offenbar schwer, sich in dieser neuen Situation zurechtzufinden.
Unterstützung erfolgte durch die Verwandtschaft in New York und Dallas
(die Kinder der Schwester Minna), während die Familie seines älteren Bruders
Paul (1870-1955) im texanischen San Antonio nicht gut auf sie zu
sprechen war. Bald nach der Ankunft in den USA überwarfen sich die Brüder
und Paul beschwerte sich: „Both are absolutely the worst trouble ma-
kers I ever saw.""8 Während Ludwig Kahn sich bei einem Teil der Familie
gut betreut wusste, hatte er bei anderen keinen guten Stand: Für sie war er
das „schwarze Schaf der Familie."9

Seit 1947 lebte Ludwig Kahn mit seiner Frau in sehr bescheidenen Verhältnissen
in einer unkomfortablen Wohnung in der Delancey Street Nr.
206 auf der Lower East Side, dem ebenso pulsierenden wie armen Viertel
der jüdischen Emigranten in New York.120 Von seinem Vermögen aus den
berauschenden Tagen als „Gedankenleser" war ihm anscheinend so gut wie


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