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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
82. Jahresband.2002
Seite: 642
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Erwin Fischer

der Anfangszeit waren die Gefangenen über Nacht im Spritzenhaus untergebracht
. Stierfütterer Meinrad Vollmer versah die Anwesensheitskontrolle
und schloss das Gebäude abends ab und am Morgen wieder auf. Drei Polen
gefiel es in Sasbach so gut, sie blieben nach dem Krieg für immer hier.

Der bisher ruhige Kriegsverlauf wurde ab Frühjahr 1940 ernster. Die
Spannung bei den Erwachsenen war für uns Jugendliche spürbar. Trotz
dieser Lage besuchten wir mit dem Fahrrad zu dritt den Vater von einem
Nachbarsfreund in seiner Stellung bei Schiftung im Hanauerland. In einem
Bunker, in dem man sich in den Gängen bücken musste, stellte uns ein Offizier
mit den Worten: „Was haben denn hier Zivilisten zu suchen"? Er gab
sich dann zufrieden, als er von Karl Rudolphie hörte: Sein Sohn und zwei
Nachbarsbuben hätten ihn hier besucht.

Die politische Einstellung meines Vaters

Nach dem „Blitzkrieg" gegen Polen und nach den U-Bootserfolgsmeldun-
gen gegen England, die von den wenigen „Volksempfänger"-Radios in
Sondermeldungen mit viel Marschmusik bekannt gegeben wurden, war es
nicht verwunderlich, wenn bei vielen Einwohnern eine „Siegesstimmung"
aufkam.

Ältere Personen wie mein Vater, Jahrgang 1878, der den Ersten Weltkrieg
in Frankreich, in Polen und zuletzt am Hartmannsweilerkopf im El-
sass als Geschützführer erlebt hatte, waren sich des „Endsieges" gegen die
halbe Welt aber nicht so sicher. Doch Zweifel am „Endsieg" durfte niemand
laut aussprechen. Der Aufruf auf Plakaten: „Vorsicht, Feind hört
mit" hatte hier eine doppelte Bedeutung. Viele politische Witze machten
die Runde. So auch der von den zwei Anglern am Rhein: Der Elsässer zog
einen Fisch nach dem andern heraus, der Badener dagegen nicht einen. Mit
Erstaunen ruft er über den Rhein: „Bei dir beißen sie gut!" Der Elsässer
sah die Misere des Badeners und rief zurück: „Bei Euch dürfen sie halt das
Maul nicht aufmachen."

Vor 1933 war mein Vater der „Zentrumspartei" nahestehend, er war kein
politisch aktiver Mensch. Dass es unter der neuen Regierung wieder mehr
Arbeit gab, wurde von allen als notwendig und gut befunden. Durch Ereignisse
wie die gewalttätige Verschleppung und Misshandlung von Bürgermeister
Eduard Kühner durch braune Fanatiker, die ihn 1933 morgens in
aller Frühe aus dem Bett holten, blieb mein Vater distanziert zu den neuen
braunen Machthabern.

Als in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wegen des Attentats
auf den deutschen Legationsrat in Paris überall im Lande die Synagogen
brannten, war sein besorgter Ausspruch: Wir ziehen den Hass der ganzen
Welt auf uns! Unverständlich war für meinen Vater der Druck auf Personen
, die beim Staat oder bei einer Behörde tätig waren. Diese waren ge-


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