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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
82. Jahresband.2002
Seite: 659
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Jahrgang 1927: Erinnerungen aus der Jugendzeit in Sasbach

659

Kanonenrohr hatte das Kaliber 8,8 cm. In Scheinmanövern, mit laut heulenden
Motoren, versuchten die erfahrenen alten Hasen die Engländer zu
täuschen, um dann fast lautlos im Kriechgang in einer anderen günstigen
Position auf die englischen Panzer zu lauern. Kommandant Leutnant
Deutsch hatte schon 26 Panzer abgeschossen.

Es sah manchmal nach einer geregelten Zeiteinteilung aus. Um 6 Uhr
begannen die ersten Schusswechsel, von da an war jeder von uns „Begleitern
" wach und nicht mehr müde. Dann war Feuerpause bis 9 Uhr. Vor
Mittag nochmals das gleiche Kriegsspiel. Vom Spätnachmittag bis zum
Abend war dann meistens der Teufel los. Auf die langsamen Artillerie-Beobachtungsflugzeuge
verschwendeten wir viel Gewehrmunition, nur vor
der Vierlingsflak hatten sie Respekt.

In Deutschland war, nach Gildehaus und Bad Bentheim, Lingen für
mich der letzte Einsatz. Hier wurde ich vier Wochen vor Kriegsende am
6. April 1945 noch durch Granatsplitter am Bein verwundet. In Erwartung
unserer englischen „Freunde" standen wir als Begleitschutz von unserem
Sturmgeschütz an einer schmalen Straße mit Bäumen in der Nähe einer
Siedlung. Nach einem nahen Granateinschlag lag ich im Straßengraben
und hatte vor allem heftige Schmerzen am linken Bein. Die Hosen und
Stiefel waren blutig.

Vom Transport und der Versorgung durch Sanitäter in einem Raum habe
ich nur eine ungenaue Erinnerung. Als ich wieder aufwachte, befand ich
mich in einem Krankenwagen, der anhielt, zwei englische Soldaten schauten
herein und machten die Türe wieder zu. Die Fahrt in Güterwagen auf
Tragbahren wurde in Wesermünde unterbrochen. Mädchen und Frauen gaben
uns zu trinken und gefrorene Fruchtstücke. Trotz meiner großen
Schmerzen kam ich mir nur leicht verwundet vor, als ich in meiner Umgebung
die anderen Verwundeten mit Verbänden am ganzen Körper sah. Im
Res.-Lazarett XIII in der Sachsenwaldschule in Hamburg-Reinbek begann
für mich dann eine schwierige, ernste Zeit.

Einer aufmerksamen, erfahrenen OP-Schwester verdanke ich den Erhalt
meines Beines. Nach der Handbewegung des Arztes sollte das Bein abgenommen
werden, sie erkannte jedoch, wie ein Gasbrand sich schon über
das Gesäß ausgebreitet hatte. Eine Amputation war daher nicht mehr möglich
. Dank guter Pflege, insbesondere durch Ordensschwestern, habe ich
überlebt. Im Lazarett wurde ich 18 Jahre alt. Mit Bewunderung und Dankbarkeit
denke ich an diese selbstlosen Krankenschwestern zurück. Beim
Verbandswechsel meiner übelriechenden, schmierigen großflächigen Wunden
hatten diese Ordensfrauen neben freundlichen Gesten immer ein aufmunterndes
Wort übrig. Statt einem Gewicht von 150 Pfund bei der Musterung
hatte ich nur noch 94 Pfund. Werner Dilger aus Achern und Friseur
Wiedemer aus Bühl lagen mit schwerer Verwundung auch in diesem Lazarett
in Hamburg-Reinbek.


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