Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
82. Jahresband.2002
Seite: 662
(PDF, 145 MB)
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Horst Ferdinand

zum Letzten aufgerufen wurde. Dass diese Parolen wenigstens teilweise
von Erfolg begleitet waren, vor allem bei der irregeleiteten Jugend, zeigen
etwa der Bericht „Hitler-Jungen schössen zwei Panzer ab" vom 778. April
1945 oder die Meldung „Badische Jugend kämpft fanatisch" vom 14./15.
April 1945.

Der lokale Teil des Blattes, auf der zweiten Seite, wird weitgehend
durch das von den Kriegsereignissen bestimmte örtliche Geschehen bestimmt
: Ratschläge über das Verhalten bei Jabo-Angriffen, Verlautbarungen
über die Zuteilung von Lebensmitteln, Empfehlungen zur Verbesserung
und Streckung der Ernährung etc.

Vom Kriegsgeschehen in seiner tragischen Auswirkung sprechen auch
die täglich auf der Rückseite des Blattes erscheinenden Todesanzeigen, in
denen - offensichtlich nur in redaktionell zugelassener Kurzform - mitgeteilt
wird, dass ein Angehöriger gefallen sei. Die zu Beginn des Krieges ab
und zu verwendete Formel „In stolzer Trauer" findet sich nirgends mehr;
es heißt jetzt im März 1945 „in unsagbarem Schmerz". Regelmäßig, wenn
auch im Kleinstdruck, finden sich übrigens kirchliche Nachrichten -
immerhin im „Amtlichen Mitteilungsblatt des Kreises Lahr der NSDAP".

Von besonderer Bedeutung für die Durchhaltestimmung waren die
Kinovorführungen. Über sie wird genauestens berichtet; ihre ausschlaggebende
Rolle für die Stärkung der Moral im NS-Sinne war in bald sechs
Jahren Krieg erprobt. Ein sonderbares Kuriosum sei in diesem Zusammenhang
festgehalten: In einer Zeit, in der „die Feinde die Unterwelt mit allen
Verdammten gegen das deutsche Volk entfesselt haben" (Parole des Gauleiters
am 6. April 1945), wurden bei derselben Jugend, die bedenkenlos
als Kanonenfutter verheizt wurde, dann subtile Unterschiede gemacht,
wenn es sich um den Besuch von Filmveranstaltungen handelte. „Jugendfrei
", „Jugend ab 14 Jahren" und „Jugendverbot" galten beim Kinobesuch
wie eh und je ...

Der Kleinanzeigenteil liest sich zum Teil friedensmäßig, wobei nicht
übersehen werden darf, dass diese Nachrichten aus dem Alltag zweifellos
auch eingerückt wurden, um damit die „Normalität" der Lage zu demonstrieren
und so indirekt zur Stärkung der Moral beizutragen. Dennoch, es
mutet heute unwahrscheinlich an, wie angesichts der verzweifelten Durchhalteparolen
und der sich täglich verschlechternden Lage die Fiktion des
normalen Alltagsablaufs buchstäblich so lange aufrechterhalten wurde, bis
die Geräusche der sich nähernden Panzer das definitive Ende ankündigten.
Es entbehrt nicht einer düsteren Komik, wenn man liest, dass zu einer Zeit,
in der das Großdeutsche Reich unter den Hammerschlägen der Alliierten
an allen Ecken und Enden zusammenbrach, dem Normalverbraucher auf
Grund landrätlicher Verlautbarung statt 62,5 Gramm Käse am 13. April
1945 125 Gramm zugeteilt würden. Verbohrter Patriotismus, aber sicher
auch bürokratisches Beharrungsvermögen liegen solchen und anderen Ver-


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