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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
83. Jahresband.2003
Seite: 33
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Erasmus von Rotterdam

(wahrscheinlich 1469 bis 1536) am Oberrhein*

Francis Rapp

„Nie wird des Erasmus' Name in Vergessenheit geraten." Diese Prophezeiung
konnte man kaum ernst nehmen, als sie 1499 kein Geringerer als ein
Professor der ehrwürdigen Universität Oxford, John Colet, aussprach. Damals
war Erasmus nur ein Regularkanoniker, also ein Mönch, wenn auch
der besonderen Art, der nicht aus seinem in Holland gelegenen Kloster entsprungen
war, aber nur noch sehr lose Beziehungen nach dorthin unterhielt
. Tatsächlich sollte Colet Recht behalten. Schon zu seinen Lebzeiten
wurde Erasmus berühmt und galt weit und breit als einer der gescheitesten
Menschen Europas. Bis heute versuchen weiterhin zahlreiche Forscher,
seine Persönlichkeit, seine Gedankenwelt und seine Werke zu ergründen.
Wollte man alle wissenschaftlichen Arbeiten lesen, die über ihn geschrieben
worden sind, müsste man ein riesiges Feld beackern, umfasst doch die
Bibliographie mehr als 20.000 Bücher und Artikel.

Zum Teil ist es wohl der schwer zu durchschauende Charakter des Menschen
Erasmus, der die Beharrlichkeit der Gelehrten erklärt, die Hoffnung
nicht aufzugeben, schließlich doch den Kern seines Wesens zu erfassen.
Aber allen diesen Bemühungen entzieht sich dieser Humanist; wie auf dem
meisterlichen Porträt, das wir Holbein d. J. verdanken, wendet er sein Gesicht
vom Betrachter ab, zeigt nur sein Profil und lächelt rätselhaft. So ist
es kein Wunder, dass die Meinungen über ihn auseinander gehen. Die einen
behaupten, er habe Luther den Weg gebahnt, andere sehen in ihm einen
Meister der katholischen Frömmigkeit und betrachten ihn als einen
Vorläufer des heiligen Bischofs von Genf-Annecy, Franz von Sales.
Schließlich gibt es auch solche, die ihn mit dem Erzfeind der christlichen
Religion, mit Voltaire, vergleichen. Wahrscheinlich ist es eine kluge Haltung
, nicht nach einer einfachen Lösung für dieses Rätsel zu suchen. Der
Mensch Erasmus besaß viele Seiten; wie sein Leben, so hat auch sein
Werk zahlreiche verschiedene Facetten. Will man dem Menschen ebenso
wie dem Werk gerecht werden, muss man wohl annehmen, dass es für ihn
nicht eine einzige Wahrheit, sondern mehrere Wahrheiten gibt.

Da es ein Ding der Unmöglichkeit ist, in der zur Verfügung stehenden
Zeit alle Seiten dieses Polyeders zu beleuchten, muss eine Auswahl vorgenommen
werden. Wer die Wahl hat, hat bekanntlich die Qual. Das Leben
des Erasmus' liefert uns keine Bravourstücke; es ist die stille Existenz eines
Gelehrten, eines Bücherwurms, der den Lärm verabscheute. Eigentlich
möchte ich von der Sympathie sprechen, die ich für Erasmus empfinde.


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