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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
83. Jahresband.2003
Seite: 34
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Francis Rapp

Erasmus hätte wohl das Wort Freundschaft vorgezogen, denn sein Leben
lang hat er Freunde geschätzt. Die amicitia, die Mensch mit Mensch verbindet
, war in seinen Augen der höchste Wert der humanitas, des menschlichen
Wesens. Mit diesem Vortrag will ich versuchen, Sie mit diesem
Menschen vertraut zu machen. Ich werde zuerst, gewissermaßen von außen
her, die Laufbahn des zum Fürsten der intellektuellen Welt aufrückenden
Priestersohnes verfolgen, seinen beeindruckenden sozialen Aufstieg. Dann
werde ich die Leidenschaft zu erfassen suchen, die Erasmus sein ganzes
Leben hindurch beseelt und ihm eine glühende Einheit verliehen hat, ferner
sein nie verkümmerndes Interesse an der „Schrift", sowohl für die Heilige
Schrift wie für jedes Werk, das das ewige Ringen des menschlichen
Verstandes um die Wahrheit und den Sinn des Daseins bezeugt. Schließlich
soll die Lebensneige dieses Mannes betrachtet werden; sie war bestimmt
eine Tragödie, ein schwerer Misserfolg wahrscheinlich, vielleicht aber kein
definitives Ausscheiden aus der geistigen Welt des Abendlandes.

Das Leben dieses Stubenhockers, der ungern Bücher und Papiere auf
seinem Schreibtisch liegen ließ, oft kränkelte und den Verdauungsbeschwerden
quälten, war besonders bewegt. Stets auf Reisen, verweilte
Erasmus selten längere Zeit am gleichen Ort zwischen England und Italien
; fast ganz Europa durchquerte er. Dies tat er nicht, weil er sich eigentlich
nirgends zu Hause fühlte, denn, wie wir sehen werden, hat er Basel als
seine Heimat betrachtet und überhaupt mit der oberrheinischen Landschaft
so etwas wie eine Wahlverwandtschaft empfunden und gepflegt. Unstet
war er, weil er nicht anders konnte. Die Suche nach neuem Wissen, nach
freundschaftlichen Unterstützungen und Anregungen hat ihn gezwungen,
sich immer wieder auf den Weg zu machen. Auch vom gesellschaftlichen
Standpunkt her war sein Leben bewegt, in ständigem Aufwärts vorangetrieben
. Aus dem illegitimen Kind eines holländischen Priesters wurde der
Fürst eines Reiches, ein princeps litterarum, den alle - oder fast alle - Gelehrten
und gebildeten Kreise verehrten, den ein Herrscher zu seinem Ratgeber
wählte, ein Papst als seinen Freund bezeichnete und dem ein anderer
den Kardinalshut gern aufgesetzt hätte.

Betrachten wir zunächst die Stufen dieses Aufstiegs. Die ersten 25 oder
27 Jahre waren bescheiden. In der Nacht des 27. zum 28. 10. 1469 (oder
1466/67) wurde Erasmus in Rotterdam geboren. Seine Mutter Margarete
war die Tochter eines Arztes; sie lebte mit dem Priester Gerhard zusammen
und schenkte diesem noch einen zweiten Sohn mit Namen Peter. Auf eine
gute Schulung legten die Eltern großen Wert; der Knabe wurde den Brüdern
des „Gemeinen (gemeinsamen) Lebens" anvertraut, eine religiöse Gemeinschaft
, der die Pädagogik jener Zeit viel verdankt. Zuerst besuchte
Erasmus - damals hieß er noch Desiderius, erst später übernahm er für seinen
Vornamen die griechische Form Erasmus - die Schule von Gouda und
Utrecht, bevor er nach Deventer übersiedelte, wo er die vorzügliche Unter-


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