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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
83. Jahresband.2003
Seite: 41
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Erasmus von Rotterdam (wahrscheinlich 1469 bis 1536) am Oberrhein

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So stark Erasmus' Wille war, seine Leser mit klassischer Literatur vertraut
zu machen, so stark war auch sein Zorn gegen diejenigen, die sie verachteten
. Gegen sie schleuderte er seine Antibarbari, ein von polemischer
Wut strotzendes Libell (Büchlein, hier: Streitschrift). Aber nicht nur wegen
ihrer Schönheit schätzte er die Werke der Antike. Die bonae litterae wollte
er verbreiten; sie waren gut, nicht nur schön; sie waren humaniores,
menschlicher, sie machten den Menschen zum eigentlichen Menschen.
Denn ein Mensch wird nicht geboren, er wird erzogen, und für Erasmus
gibt es keine wirksamere Kunst, aus einem Bündel von Gaben und Schwächen
einen anständigen, seiner Berufung würdigen Menschen zu erschaffen
, als eben diese humaniores litterae.

Erasmus ist kein Ästhet, eher ein Moralist, und zwar ein christlicher
Moralist; sein Humanismus ist mit dem Christentum eng verbunden. Christus
betrachtet er als den besten, ja den einzig gültigen Lehrer des Menschen
. Daher rührt sein Groll gegen diejenigen, die das Heidentum wieder
zu neuem Leben erwecken wollen. Zwar ist auch er ein Bewunderer Ci-
ceros; er hat viele seiner Schriften ediert, so das Buch über die Freundschaft
, ein anderes, das die Ämter in der Gesellschaft behandelt, und andere
mehr. Aber er hat sich zum Ziel gesetzt, die römische Weisheit in der
christlichen aufgehen zu lassen. Die Symbiose der beiden kann der Kirche
nur nützen. Und um das Wohl der Kirche geht es ihm ja, denn er ist davon
überzeugt: Für die Erziehung sorgt die Kirche am besten.

Seitdem er 1499 Colet und Vitrier kennen gelernt hat, ist ihm klar geworden
, dass er dazu berufen ist, die Kirche von zwei Übeln zu befreien:
zuerst davon, was er als Judaismus bezeichnet. Denn der Buchstabe des
(jüdischen) Gesetzes darf den Geist nicht ersticken, wovor schon Paulus
gewarnt hat: Der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig. Hinter
einer christlichen Fassade blüht allzu oft das heidnische Prinzip: do ut des,
d. h. geb ich dir, so gibst du mir zurück. Ich bete, pilgere, opfere und Gott
gibt mir seinen Segen, Gesundheit, Erfolg, Ruhm, Reichtum und am Ende
das Heil. So werden die echten Grundsätze des Christentums mit äußerlichen
Übungen überwuchert. Schwindler bringen es leicht fertig, das einfache
Volk damit zu betrügen; denn was sie ihm anbieten, sichert ihm keineswegs
das Heil, bringt nur den Betrügern Geld ein. Mit grimmiger Ironie
karikiert Erasmus im „Lob der Torheit" und in den Colloquia die Prälaten,
die Mönche, Pilger und alle, die sich betören lassen.

Er ist weniger streng, wenn er mit dem zweiten Übel abrechnet, nämlich
mit dem Gestrüpp der Kommentare, welche das Evangelium umranken und
so die einzig wichtigen Gebote verschleiern. Hier kämpft er gegen die
Scholastik an. In Paris hat er sie kennen gelernt, diese Krittler, die falsche
Probleme stellen, um sich damit Jahre lang damit abzugeben, denen es
nicht darum geht, der Wahrheit zu dienen, sondern die einzig ihrer Lust
frönen, spitzfindige Gedankengänge zu entwickeln.


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