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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
83. Jahresband.2003
Seite: 42
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Francis Rapp

Erasmus ist davon überzeugt, dass beide Übel zusammenhängen, das eine
das andere verstärkt. Diese Gewissheit liefert ihm die eigene Theologie,
deren Grundlinien er 1501 im Enchiridion militis christiani darstellt
(„Handbuch des christlichen Kämpfers oder Der Dolch des christlichen
Ritters")- Die Heilige Schrift macht das unerschöpfliche Geheimnis Gottes
offenkundig, Gott, aus dem Leben und Liebe im Überfluss fließt. Die Last
der Sünde hat die Menschen von Gott getrennt, Gottesliebe führt den Sünder
wieder zurück zu ihm. Den Weg hat Christus geöffnet; die Nachfolge
Christi ist die Weisheit. Dieser Weisheit sich anzuschließen, ist die Philosophie
schlechthin. Christus hat uns nicht verloren, ist er doch Gottes
Wort, und dieses Wort ist dank der Bibel greifbar. Christus ist deshalb immer
noch da, er lebt weiter in der Heiligen Schrift. Den Schlüssel zu ihrem
Verständnis liefert uns das Evangelium; das Neue Testament gibt uns den
wahren Sinn des Alten. Erasmus hofft, dass einmal der Bauer Psalmen singen
wird beim Pflügen und dass die Hausfrau Verse hersagt, während sie
ihre Arbeit verrichtet. So sollte das tägliche Leben von Gottes Wort durchdrungen
sein.

Zuerst muss aber der richtige Wortlaut und der tiefe Sinn der Bibel festgestellt
und ergründet werden, denn die lateinische Übersetzung, die der
Kirchenvater Hieronymus im 4. Jahrhundert vorgenommen hat, ist nicht
zuverlässig. Um die Auslegung der Bibel zu verbessern, muss man auf den
griechischen Text zurückgehen, ja sogar mit dem Hebräischen vertraut
sein. Das Werk, das Erasmus besonders am Herzen lag, war die Schaffung
einer wissenschaftlich tadellosen Ausgabe des griechischen Neuen Testamentes
. 1516 konnte er es durch den Basler Verleger Froben herausgeben
lassen und Papst Leo X. zueignen - einen „Wälzer" von 1000 Seiten; denn
der Wortlaut war durch Kommentare erklärt und mit einer reichen Einführung
gerechtfertigt worden.

Wichtig war auch für Erasmus alles, was in den Schriften der Kirchenväter
zu finden war, denn diese waren entstanden, als die antike Kultur
noch lebendig war. So gab er in neun Bänden die Werke des Hieronymus
heraus, in zehn diejenigen des Augustinus, aber auch die des Origenes,
Ambrosius, Cyprian, Irenaeus, Hilarius und des Chrysostomos.

An diesem Punkt angelangt, sehen wir die bonae litterae mit den sacrae
litterae im Lebenswerk des Erasmus zusammenwachsen und ein Ganzes
bilden. Will man die lateinischen und griechischen Kirchenväter nicht
missverstehen, muss man in ihrer geistigen Welt zu Hause sein. Diese
Männer waren nämlich mit der antiken Kultur so eng vertraut, dass die
Sprache, die Denkart der klassischen Literatur ihre Werke durchzieht. Auf
diese Weise haben die Philosophen indirekt an der Verwirklichung der
christlichen Kultur mitgewirkt. Dass von Cicero, ja sogar von Sokrates bis
hin zu Christus eine Kontinuität besteht für die Entwicklung einer heilbringenden
Lehre, davon ist Erasmus überzeugt. Er spricht sogar vom „heili-


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