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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
83. Jahresband.2003
Seite: 43
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Erasmus von Rotterdam (wahrscheinlich 1469 bis 1536) am Oberrhein

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gen" Sokrates, weil er der Ansicht ist, dass Sokrates auch eine wichtige
Rolle gespielt und den Weg zum Evangelium geebnet hat zusammen mit
den Propheten des Alten Testaments.

Um dieser Anschauung den Weg zum Sieg zu bahnen, darf man auf keinen
Fall Gewalt und Zwang anwenden; denn Frieden ist der höchste Wert.
Die res publica christiana, von welcher er träumt, kann nur langsam wachsen
und gedeihen; Gesetze sind unnütz, wenn die Geister nicht geschult
sind; Kriege sind abscheulich. Immer gilt: Pflanzen darf man nicht nach
oben ziehen wollen, sie müssen wachsen, und dazu hilft nur sorgsame Pflege
, so wie der wachsende Mensch Erziehung braucht.

Hier zeigt sich der echte Kern des Menschen Erasmus: Er ist Pädagoge
- und Optimist dazu; denn er ist der Ansicht, dass der Mensch sich erziehen
lässt, und dafür sind die Aussichten nicht schlecht, findet man doch
Humanisten in den Schulen, den Universitäten, in den Regierungskreisen,
auf den Bischofsstühlen, ja sogar auf den Thronen. Halten nicht sogar die
Könige Franz I. von Frankreich und Heinrich VIII. von England, ja sogar
der Kaiser Karl V. viel von ihm? Und es werden so viele gute Bücher gedruckt
in Basel, in Straßburg und anderswo!

Plötzlich geschah das Unvorhergesehene in den letzten Wochen des Jahres
1517: Martin Luther, ein unbekannter Professor einer wenig bekannten
Universität, wurde in kurzer Zeit der berühmteste Mann im ganzen Reich.
Erasmus verdankte seinen Aufstieg zum großen Teil dem Buchdruck, doch
die Adagia, die Colloquia, das Encomion moriae las und schätzte man nur
in engeren Kreisen. Ein König war er unter den Humanisten, aber sein
Reich umfasste nur die geistige Elite, die Aristokratie der Bildung, die Lateinisch
lesen konnte und bereute, das Griechische nicht zu beherrschen.
Die Schriften Luthers dagegen erreichten eine viel breitere Leserschaft; bekanntlich
war er ein großartiger, ja genialer Schriftsteller. Ihm hatte es die
sächsische Kanzleisprache zu verdanken, zum Hochdeutsch erhoben zu
werden. Bald überdeckte der Schatten von Luthers riesiger Gestalt den
Ruhm des Humanistenfürsten.

Zuerst glaubte Erasmus, dass er aus Luther einen Verbündeten machen
könnte. Sagten nicht beide, dass die äußeren Werke die Christen täuschen
könnten und ihnen eine trügende Heilsgewissheit versprachen? Sagten
nicht beide, wie wichtig es war, die Heilige Schrift zu kennen und aus ihr
die rettenden Wahrheiten zu schöpfen? Keineswegs billigte Erasmus die
starre Haltung des römischen Legaten, aber bereits 1519 gab er auf einen
Brief Luthers eine ausweichende Antwort. Die Töne, die der Wittenberger
Doktor einschlug, gefielen ihm nicht. Die Werke, die Luther 1520 herausgab
, „Die Babylonische Gefangenschaft", „Von der Freiheit des Christenmenschen
" und der „Appell an den Adel deutscher Nation" klangen wie
ein Aufruf zum Aufstand. In der Tat, es war eine Revolution, ja ein Krieg,
und von Krieg wollte Erasmus nichts wissen. Ihm war klar, dass der ganze


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