Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
83. Jahresband.2003
Seite: 47
(PDF, 99 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2003/0047
47

Das freie Reichstal Harmersbach

Über die schwierige Wahrnehmung von Geschichte

Eugen Hillenbrand

„Die heutige deutsche Reichsregierung könnte sich an dem Senat von Harmersbach
, dessen Oberhaupt ein Metzger und dessen Mitglieder Bauern
waren, ein Muster nehmen." So lautete der Kommentar zu einer von
Reichsvogt und Altem Rat erlassenen „zeitgemäßen Bekanntmachung, die
der Pfarrer auch von der Kanzel verlesen soll". Man ahnt schon, aus
wessen Feder der Kommentar stammt: Heinrich Hansjakob schrieb ihn in
seiner 1891 erschienenen Erzählung „Der letzte Reichsvogt".' Er schildert
darin die Geschichte des Hansjörg Bruder, der, von Beruf Metzger, 1771
Wirt der „Stube" in Oberharmersbach wurde. Hansjakob nennt sie „das politische
Zentrum", „das Kasino der Reichsbauernschaft vom Harmersbachtal
". Hier konnte der Mann hinterm Schanktisch offensichtlich erfolgreich
mitmischen, sodass er 1776 vom Zwölferrat als Kandidat für das Amt des
Reichsvogtes aufgestellt wurde, allerdings unter der Bedingung, dass er im
Falle seiner Wahl abe der stuben sein sollte. Ein Teil der Gemeinde hatte
sich für einen Gegenkandidaten stark gemacht. Die Entscheidung musste
der Abt von Gengenbach treffen. Er sprach sich für den Hansjörg Bruder
aus. Der neu ernannte Reichsvogt erwirkte beim Rat sogar einen weiteren
Fünfjahresvertrag als Stubenwirt. Unter seinem Dach tagte, wie gewohnt,
das Vogtsgericht, während der Abt an seinem üblichen Gerichtstag den offenen
Platz vor der Kirche bevorzugte.

Die Personalunion von Stubenwirt und Reichsvogt störte die Bauern des
Tales keineswegs. Erst als 1803 die Reichsherrlichkeit zu Ende war und
durch die markgräflich-badische Regierung abgelöst wurde, erklärte diese
die Unvereinbarkeit beider Ämter. Mit unverhohlener Sympathie schildert
Hansjakob das Wirken des alten Reichsvogtes, der durch die politische
Neuordnung zum badischen Kleinvogt degradiert worden war. Der Gedanke
an diesen Niedergang ließ Hansjakob geradezu erschaudern: „... als
Reichsvogt vom Harmersbach, als Herr über Leben und Tod, als ein Mann,
der bisher nur das Reichsgericht und den Kaiser über sich hatte, wäre ich
nie badischer Vogt geworden, Untertan eines badischen Obervogts in
Klein-Gengenbach. "2 Sein Hansjörg aber blieb im Amt, zumal er von dem
großherzoglich-badischen Landvogt zu Mahlberg, dem Freiherrn Adam
Franz X. von Roggenbach, ausdrücklich empfohlen wurde: Der Reichsvogt
ist ein verständiger Bauersmann.3

Heinrich Hansjakob wollte mit seiner Erzählung und den kräftigen
Kommentaren den Stolz der Oberharmersbacher auf ihre große Geschichte


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2003/0047