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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
83. Jahresband.2003
Seite: 58
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Eugen Hülenbrand

In der überarbeiteten und erweiterten Fassung von 1331 gehörte der All-
mende-Begriff bereits zum geläufigen Vokabular. In seinem Umfeld erscheint
auch erstmals, aber regelmäßig der Terminus „Gemeinschaft" oder
„Gemeinde". Ihr wurde nun zugebilligt, selbstständig Anordnungen zur
Allmende treffen zu können und Verträge abzuschließen („gebot oder einung
machen ") oder Teile der Allmende zu verpachten, ja sogar zu verkaufen
. Aber es wurde immer hinzugefügt, dass dies nur mit Zustimmung des
Abtes geschehen dürfe. Die Begründung lautete: „- wan die almende zwi-
schent Swigestein und Velletürli geben ist den lüten von des gotzhus eigen
"?6 Deshalb lehnte das Kloster jede Einschränkung seiner eigenen
Nutzungsrechte ab, etwa im Wald oder auf der Weide. Als Partner stand
ihm aber nicht mehr eine Vielzahl zinspflichtiger Bauern gegenüber, sondern
eine Dorfgemeinschaft, die aus unfreien Bindungen herauswuchs und
mehr und mehr selbstständig agierte. Diese bäuerliche Gemeinde beseitigte
nicht die alten grundherrschaftlichen Strukturen, aber überlagerte sie und
schwächte sie ab. Die Spielräume ihres Handelns waren vielgestaltig und
in ständigem Prozess. An Schnittstellen der unterschiedlichen Herrschaftssphären
, etwa beim Gericht des Freihofs, ergab sich noch über Jahrhunderte
hin eine Fülle von Konfliktstoff.

1802 entwarf der Freiherr von Roggenbach für den Karlsruher Hof ein
Bild der Harmersbacher in den kräftigsten Farben: „Das freie Reichstal
Harmersbach hat bisher im strengsten Sinne eine demokratische Verfassung
gehabt, die oft in Anarchie ausgeartet sein soll. Diese Bauern lieben
die Jagd und führen meist ihre gezogenen Büchsen. Sie haben seither nur
sehr geringe Abgaben entrichtet, wissen auch nichts von Accis und Pfundzoll
, weder vom Weg- noch Brücken- und Chaussegeld"P Hansjakob hätte
diesen Lagebericht des adligen Verwaltungsbeamten gewiss mit großem
Vergnügen zur Kenntnis genommen.

Unversehens war aus der Herrschaft über Bauern eine Herrschaft mit
den Bauern geworden. Erst die Neuzeit schränkte mit der wachsenden
Monopolisierung staatlicher Gewalt und der Rationalisierung der Verwaltungsebenen
ihre Freiräume wieder erheblich ein. Aber noch im 18. Jahrhundert
hatte der Harmersbacher Vogt vor Gott und den Heiligen zu
schwören, (1.) der Römisch Kayserlichen Majestät, (2.) dem Abt des Klosters
Gengenbach und (3.) denen des Heil. Reichs Tals Harmersbach treu
und hold zu sein. Er stand folglich nicht nur in der Pflicht des Kaisers und
des Reichabtes, sondern auch der Talgemeinde.

Blicken wir zurück in die Geschichte des freien Reichstals, so nehmen
wir keine „freie Bauernrepublik" wahr, auch keinen „Uradel der menschlichen
Gesellschaft" und keine „Bauern, die an die fürstliche Tafel geladen
wurden", sondern ein Stück lebendige „Geschichte von unten", die sehr
wohl den „gemein mann" zum selbstbewussten Teilhaber am öffentlichen
Leben machte. Unsere herkömmliche Vorstellung mittelalterlicher Herr-


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