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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
83. Jahresband.2003
Seite: 66
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Dieter K. Petri

In der Praxis richteten sich diese „Kulturkampfgesetze" nur gegen die
kath. Kirche. Da vor dem Gesetz jedoch alle gleich sein sollen und nicht
der Vorwurf erhoben werden kann, es handle sich um ein „Ausnahmegesetz
", war im Gesetzestext immer nur von „Religionsdienern" die Rede.
Theoretisch galt es auch für die ev. Pfarrer. Dort machte es jedoch keine
Probleme, da die ev. Kirche sich organisatorisch dem Landesherren unterstellte
.18 Es ist z. B. auch nicht bekannt, dass der 1878 zum ev. Hofprediger
in Berlin avancierte Adolf Stöcker, der auf der sonntäglichen Kanzel
einen massiven Antisemitismus vertrat und der im Übrigen mit einem
Mandat der Konservativen Partei Bismarcks im Reichstag saß, jemals mit
dem Kanzelparagraphen Schwierigkeiten bekommen hat.19

Warum Bismarck sich derart mit der kath. Kirche anlegte, dürfte zwei
Gründe gehabt haben. Erstens sah der Reichskanzler im neu gewählten
Reichstag von 1871 in der Gründung des Zentrums als einer rein kath. Partei
eine Störung des öffentlichen Friedens, wie zumindest von einem Gesinnungsfreund
behauptet wird.20 Was Konservative und ihre liberalen
Gegenspieler wollten, war klar. Was aber wollten Katholiken als Partei?
Kann es ihnen überhaupt um den Staat gehen oder haben sie nur im Sinn,
für ihrer Kirche die verlorene Macht wieder zu gewinnen?21 Letzteres
möchte ich B. nicht unterstellen. Er hatte durchaus das Gemeinwohl im
Sinn. Aber er konnte sich den Weg dorthin nur als katholischen denken.

Am Beispiel der Schule wird der Konfessionalismus von B. deutlich. In
romantischer Verklärung des Mittelalters sah der hoch gebildete Mann in
der Kirche die Wiege der Kultur. Daher wollte er nicht akzeptieren, dass
der Staat im 19. Jh. der Kirche die Leitung der Schule aus der Hand nehmen
und sie staatlich vereidigten Schulräten anvertrauen musste. B. war
über diese Entwicklung so unglücklich, dass er dem staatlichen Schulwesen
erzieherischen Bankrott voraus sagte.22

Der zweite Grund für die feindselige Haltung Bismarcks gegenüber der
kath. Kirche lag in der Verkündigung des Dogmas von der Unfehlbarkeit
des Papstes durch das Vatikanische Konzil 1870. B. beteuerte im Reichstag
, wie die anderen Zentrumsabgeordneten, dass dieses Dogma nichts an
der Loyalität der Katholiken gegenüber dem Staat ändern würde. Es handle
sich um eine „reine Haussache der Katholiken"23, in die sich der Staat im
Sinne der Religionsfreiheit nicht einzumischen habe. Das Dogma von der
Unfehlbarkeit bringe im Übrigen nichts Neues, sondern definiere lediglich
ein Verständnis des päpstlichen Lehramtes, wie es schon immer gegolten
habe.24

Bismarck und seine Gesinnungsfreunde im Reichstag fürchteten eine
Einschwörung der Bischöfe und des Klerus auf den Papst. Dadurch werde
die Vaterlandsliebe an die zweite Stelle gesetzt und die Treue der Bürger
zum Staat untergraben. Da half es nichts, wenn B. in der Unfehlbarkeitserklärung
eine Stärkung der monarchischen Regierungsform in der kath. Kir-


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