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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
83. Jahresband.2003
Seite: 67
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Franz. Joseph Ritter von Büß - Reichstagsabgeordneter in Berlin 1X73-1877

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che sah, die ergänzt werde durch das „aristokratische Element" der Bischöfe
und das „demokratische Element jedes Getauften"25. Mit dieser Argumentation
hoffte B. die konservativen und nationalliberalen Monarchisten
sowie die republikanisch gesinnten Sozialdemokraten versöhnlich zu stimmen
- ohne Erfolg. Mit 214 Ja- gegen 108 Nein-Stimmen bei nur einer
Enthaltung wurde das „Gesetz, betreffend die Verhinderung der unbefugten
Ausübung von Kirchenämtern", das B. als eine einzige Ächtung26 der
kath. Kirche bezeichnete, angenommen.27

Die Befürworter dieses Ausnahmegesetzes wollten den Widerstand der
Kleriker brechen, die sich eine staatliche Einmischung bei der Besetzung
einer Pfarrstelle verbaten und die Selbstverwaltung der Kirche in allen religiösen
Belangen als etwas Selbstverständliches forderten. In gewisser
Weise erhob der liberale Staat nunmehr den selben Absolutheitsanspruch,
mit dem die Kirche im Mittelalter versuchte, sich den Staat botmäßig zu
machen. Der Abgeordnete Graf Frankenberg sah in der dreifachen Papstkrone
den symbolischen Ausdruck28 für jenes angemaßte höhere Königtum
der Kirche. Mit dem vom Abgeordneten von Saucken-Tarputschen verlangten
„Oberhoheitsrecht des Staates"29 über die Kirche wurde der Spieß
nur umgedreht. Dass es gerade auch liberale Abgeordnete waren, die einem
absoluten Staat das Wort redeten, wirkte auf das Zentrum als Widerspruch
zur ansonsten von den Liberalen geforderten Religionsfreiheit.
Letztere waren aber der Meinung das Grundrecht beziehe sich nur auf die
Überzeugung des Einzelnen,30 nicht auf die kirchliche Ausübung der Religion
. Der Einzelne sei vor einer autoritären Kirche zu schützen.

Bei der namentlichen Abstimmung über das Kirchenamtsgesetz fehlten
die führenden Sozialisten bzw. Sozialdemokraten Liebknecht und Bebel.
Sie waren vermutlich nicht für dieses Gesetz, sahen aber auch keinen
Grund, sich für die Autonomie der Kirche stark zu machen. Später hat Bismarck
in den Sozialdemokraten in ähnlicher Weise „vaterlandslose Gesellen
" gewittert wie in den Katholiken. Als es 1878 im Reichstag zur Abstimmung
über ein „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen
der Sozialdemokratie" kam, das den Sozialisten zwar nicht die Partei-,
wohl aber jegliche Vereinstätigkeit untersagte, stimmte das Zentrum dagegen
, wohl deswegen, weil es sich dabei an die Zurücksetzung der eigenen
Kirche erinnert fühlte. Die befürwortenden Stimmen von Nationalliberalen
und Konservativen genügten jedoch für eine Mehrheit.

Beide Gesetze erwiesen sich als politische Fehler. Die Nichtverlänge-
rung des Sozialistengesetzes im Reichstag bedeutete eine ziemliche
Niederlage für den eisernen Kanzler, die zu seiner Amtsmüdigkeit beitrug.
Als der „Lotse von Bord" gegangen war, konnte am 6. Mai 1890 auch das
„Kirchenamtsgesetz"31 eingezogen werden. B. hat dies freilich nicht mehr
erlebt. Er war am 31. Januar 1878 gestorben. Seine entschiedene und offene
Art für seine Überzeugung einzutreten, hatte ihm übrigens bei Bismarck


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