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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
83. Jahresband.2003
Seite: 220
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Ralf Bernd Herden

16. Oktober 1906 erinnerte. Damals war in Köpenick der vorbestrafte und
stellungslose Schuster Wilhelm Voigt (1849-1922), in einer vom Trödler
geliehenen Hauptmannsuniform, in das Rathaus eingedrungen, nahm dort
den Bürgermeister und den Kassenverwalter fest und bemächtigte sich der
Stadtkasse. Er bediente sich dazu eines Trupps Soldaten, welche er unter
Führung eines Gefreiten einfach auf der Straße „dienstverpflichtet" hatte.
Nach der Beschlagnahme entließ Voigt übrigens seine Truppe ganz „offiziersmäßig
", nicht ohne noch großzügig Fahrgeld für die Rückfahrt der
Truppe zur Kaserne mit der Straßenbahn, sowie einige Mark für „Würstchen
und Bier" locker zu machen.8

Wer aber war nunmehr der Urheber des Straßburger Debakels? In den
Gängen des Landtages soll gerätselt worden sein, dass „ein Verrückter in
der Uniform eines Postbeamten" das „Telegramm aus Berlin" an das Gouvernement
überbracht habe. Die Rede war von einem entlassenen Vizefeldwebel
, welcher damit den Militärentlassungsgrund „Verrücktheit" habe
widerlegen wollen ...

Später wurde bekannt, dass der Fälscher und Überbringer des Telegramms
ein gewisser Wolter gewesen sei, ehemaliger Zahlmeister-Aspirant
im Fußartillerieregiment Nr. 8 in Metz. Der „notorische Querulant mit starkem
geistigem Defekt" wurde bald darauf verhaftet. Er war wegen „dienstlicher
Verfehlungen" aus dem Militärdienst entlassen worden. Ob er allerdings
so glimpflich davonkam wie Wilhelm Voigt, welchem als „Hauptmann
von Köpenick" sogar ein kaiserlicher Gnadenerweis zugute kam,
darf zumindest bezweifelt werden ...

Anmerkungen

1 Die Verwendung der alten, deutschen Schreibweise Straßburg statt Strasbourg erfolgt
im Zusammenhang mit diesem Text ausschließlich aus historischen Gründen. Der Verfasser
ist ansonsten ein nachhaltiger Verfechter der heute einzig zeitgemäßen Schreibweise
Strasbourg, welche jedoch fälschlicherweise leider auch in Texten der Gegenwart
noch immer nicht ausschließlich Verwendung findet. Soweit Zitate Kaiser Wilhelms
EL verwendet werden, bleibt auch dort um der Originalität willen die Schreibweise
der Zeit beibehalten.

2 Rall, Hans: Wilhelm □., eine Biographie. Graz, Wien und Köln 1995, 63

3 Vgl. zum Folgenden: Lahrer Zeitung, Nr. 195 vom Mittwoch, 21. August 1893.

4 Rall, Hans: Wilhelm IL, eine Biographie. Graz, Wien und Köln 1995, 75

5 Es sei doch die Anmerkung erlaubt, ob Wilhelm II. „seine" Lothringer überhaupt gefragt
hat.

6 Vergleiche zum Folgenden: Lahrer Zeitung, Nr. 213 vom Dienstag, 12. September
1893.

7 Vergleiche zum Folgenden: Lahrer Zeitung, Nr. 31 vom Mittwoch, 6. Februar 1913.

8 Statt allem anderen sei hier nur die lohnende Lektüre des „Hauptmanns von Köpenick"
von Carl Zuckmayer empfohlen.

Ralf Bernd Herden, Haus im Rinken, 77776 Bad Rippoldsau-Schapbach


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