Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
83. Jahresband.2003
Seite: 277
(PDF, 99 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2003/0277
Lorenz Oken im Spiegel seiner Briefe an den Freund Matthias Keller

277

ger gar nicht wüßten, wo ich wäre und was ich treibe. In Zukunft will ich
niemand mehr schreiben als Dir; sage darum niemand etwas von mir und
laß mich ganz allein leben ... (13. Aug. 1805) Man spürt hinter Okens Verärgerung
und Bitterkeit, wie sehr er an der Vereinsamung in der Fremde
leidet und wie sehr er an seinen Freunden hängt. Doch auch Keller ist ein
unzuverlässiger Briefschreiber, wie aus dem Beginn von Okens zweitem
überlieferten Brief aus Göttingen hervorgeht: Ich sollte zwar denken, Du
hättest meinen Brief lange genug, daß Du ihn, auch wenn man Deiner
Nachlässigkeit noch einige Spannen zumißt, doch schon hättest beantworten
können. Allen schlimmen Vorsätzen aus seiner Gekränktheit zum Trotz
erkundigt er sich dann im nächsten Jahr doch wieder ausführlich bei Keller
nach den Freunden: Schreib mir doch auch, was Burkhard macht, wo
Braun ist, auch von Freiburg etwas - von Sattler, Bürgle, Vogel, Küchle
etc. ... Du bist wie ein Philister, gar nichts weiß ich von diesen Leuten.
(15. Juni 1806) Ähnliche Nachfragen werden auch in späteren Briefen immer
wieder erscheinen. Oken nimmt steten Anteil an dem Schicksal der
Gefährten.

Diese starke emotionale Verbundenheit dürfte auch darin mit begründet
sein, dass sich Beziehungen zu Frauen für diese jungen, meist mittellosen
Akademiker vorwiegend auf Gedanken und vielleicht noch Briefe beschränken
mussten. Solange sie nicht beruflich etabliert waren, um eine
Familie ernähren oder um den vermögenden Eltern einer heiratsfähigen
jungen Frau eine angesehene, gesellschaftsfähige Position vorweisen zu
können, waren Liebesbeziehungen in der Regel nur Wunschträume. Umso
bedeutsamer und emotionaler waren daher Freundschaften. Mit dem oft
harten und langwierigen Kampf um den Aufbau einer beruflichen Existenz
sollten gleichzeitig auch die Voraussetzungen für eine Heirat geschaffen
werden.

Doch wenden wir uns nun den Inhalten von Okens Briefen aus Göttingen
zu. Die langen Abstände zwischen den Briefen an Keller hatten wohl
noch einen anderen Grund als die nur spärlichen Antwortbriefe. Oken hatte
inzwischen einen neuen Briefpartner, der ein besseres Verständnis für seine
wissenschaftlichen Bestrebungen besaß: Schelling. Gegenüber den fünf
Briefen an Keller besitzen wir aus Okens Göttinger Zeit mehr Briefe, die
an Schelling gerichtet sind; wir verdanken ihnen viele interessante Informationen
, die wir bisweilen ergänzend benutzen wollen." Um überhaupt
nach Göttingen zu gelangen, musste Oken mancherlei erdulden, wie er am
2. Mai 1805 aus Halle an Schelling berichtet: Alles in Sachsen ist häßlich,
auch wenn ich die Armut, die zu jedem Fenster heraussieht nicht rechne
, wenn ich geduldig durch die elenden Feldwege wate, nicht wissend, wo
Straße und wo Viehweide, wenn ich appetitlos das schwarze saure Semmelbrot
und das zwar gute, aber wäßrige Bier verschlucke. Wohl in Gedanken
an die heimatliche Ortenau, an Freiburg und Würzburg seufzt er: O Süden!


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2003/0277