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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
83. Jahresband.2003
Seite: 465
(PDF, 99 MB)
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Buchbesprechungen und Hinweise

465

Mit dem Übergang an Hessen-Darmstadt
1736 lockerten sich die Bindungen
an das Herrscherhaus. Die beispiellose
Zumutung, jährlich einige Dutzend Lerchenzungen
als kulinarische Delikatessen
an die Söhne des Landesherren liefern zu
müssen, die in Straßburg studierten, erbitterte
die Korker. Wie auch andernorts in
der Ottenau gab es 1789 Angriffe auf
herrschaftliche Beamte, aber bei allen
Einzelbeschwerden keine Infragestellung
des kleinstaatlichen Absolutismus. Die
Kämpfe um Kehl und die Rheinübergänge
der französischen Revolutionstruppen
brachten viele Korker um ihre Habe. Hans
Herrmann geht detailliert auf den Gerichtsschultheißen
Johann Georg Zuflucht
ein, dessen Tagebuch eine faszinierende
Quelle für die Umbruchszeit um 1800 ist.

Im Jahr 1803 kam Kork in Folge der
napoleonischen Flurbereinigung zur
Markgrafschaft Baden. Der Korker Pfarrer
und Dekan Gottlieb Fecht wurde als
Volksvertreter in den badischen Landtag
gewählt und prägte den Frühliberalismus
entscheidend mit. In Kork war schon 1821
eine Lesegesellschaft entstanden, die zu
einem Forum für Bürgerengagement wurde
. In der Revolution 1848/49 trat nicht
nur der alte Dekan Fecht bei der 2. Offenburger
Volksversammlung auf. Auch die
Volkswehr aus Kork kämpfte in der Mairevolution
1849 gegen die heranrückenden
Preußen. Die wachsende Bevölkerung
und mehrfache Missernten ließen nach
1840 die Zahl der landarmen Bewohner
und der Auswanderer spürbar anschwellen
. Als im Krieg 1870 Straßburg belagert
und Kehl zerstört wurde, musste Kork
zahlreiche Flüchtlinge und verwundete
Soldaten aufnehmen.

Mit großem Gespür für Alltagsgeschichte
beschreibt Herrmann die Brückenkopfzeit
nach dem l. Weltkrieg und
die damit verbundenen wirtschaftlichen
Nöte. Ungeschminkt wird aufgezeigt, wie
auf diesem Boden seit 1930 die nationalistisch
agitierende NS-Bewegung schnell
Fuß fasste und Hitler schon im Juli 1933

Korker Ehrenbürger wurde. An Hand von
Zeitzeugenberichten beschreibt der Autor,
wie in Schule und HJ Jugendliche manipuliert
wurden. Der 2. Weltkrieg brachte
Evakuierungen, Artilleriebeschuss und die
französische Besetzung, bei der es in
Kork zu vergleichsweise geringen Übergriffen
kam. Die Schilderung des Wiederaufbaus
, des wirtschaftlichen Strukturwandels
und der Eingemeindung nach
Kehl beschließt den chronologischen Teil.

Eingefügt in die Darstellung sind immer
wieder sozial-, kultur-, wirtschafts-
und sittengeschichtliche Miniaturen, so
über die protestantische Kirchenzucht im
18. Jahrhundert oder über den Übergang
zur Stallviehfütterung. Systematische
Darstellungen gelten den Korker Scharfrichtern
, der Korker Amtsverwaltung, der
Entwicklung der Schule und dem Medizinalwesen
.

Für einige Kapitel wie das Kehler Vereinswesen
, die Entwicklung der Korker
Anstalten oder der Hanauer Apotheke
konnte Herrmann kompetente Mitarbeiter
gewinnen. So schrieb der Initiator des
Korker Handwerkermuseums, Helmut
Schneider, über die bemerkenswerten Gebäude
in Kork, die Landschreibereien, das
„Schloss", die Kirche und die weithin berühmten
Fachwerkhäuser am Korker Bühl
ein lesenswertes Kapitel Architekturgeschichte
. Ansgar Matthes hat es verstanden
, über den „Fürst des Hanauerlandes"
einen Abriss zu verfassen, der zugleich
ein Zeitbild der 20er Jahre darstellt. Der
Anhang mit der Zusammenstellung von
Währung, Maßen und Gewichten, einer
umfassenden Zeittafel und einem Glossar
hilft auch dem weniger mit der Historie
vertrauten Leser bei der Orientierung.
Hertmanns soliden und umfangreichen
Archivrecherchen, ein souveräner Umgang
mit den Quellen, die Einbeziehung
von „oral history" und eine prägnante und
klare Form der Darstellung machen den
Wert dieser Ortschronik aus. Dazu kommt
eine opulente und großzügige grafische
Gestaltung, der es gelingt, Bild und Text


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