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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
84. Jahresband.2004
Seite: 35
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„In Jen Boden können wir nicht schlüpfen!"

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nen allenthalben ohne allen Verzug aufzusuchen und wo möglich wieder in
haft zu bringen. Gegen die sorglosen Wächter ist das Weitere vorbehalten
. " Man hat die beiden jedoch nicht mehr gefunden, der Prozess muss
ohne sie weitergeführt werden ...

Nun sind die Frauen an der Reihe und werden befragt. Katharina Steiner
macht den Anfang. Sie ist 80 Jahre alt, katholisch und stammt aus „dem
Bambergischen in Franken, wüßte den Ort nicht." Eltern und Geschwister
sind gestorben, der Vater in Landau. Er „sei ein Soldat gewesen und durch
ein Stück Kugel umkommen. Wo die Mutter? Zu Gengenbach im Strohbach
. Sei zu Gengenbach begraben. Was sie gewesen? Eine Zigeunerin wie
sie auch. Ihre 3 Brüder seien im Soldatenleben gestorben, wüßte nicht wo,
die 3 Schwestern seien auch ins Soldatenleben kommen und darin gestorben
, wo aber könnte sie nicht sagen." Sie sei Witwe, ihr Mann, Georg Steiner
war auch Soldat, „sei zu Lautenbach gestorben und zu Altorff im Oberkirch
begraben." Sie war den ganzen Sommer im Militärlager bei Breisach
gewesen, „in welches sie mit anderen Zigeünern mit Obst und Tabac gehandelt
." Solange ihr Mann gelebt habe, „habe sie mit ihm im Soldatenleben
40 Jahr lang gelebt, seit er aber gestorben, welches 15 Jahr sein werde,
sei sie hin und wieder im Schwabenland, Württemberg und im Breisgau
mit den Zigeunern herum gezogen, sei aber nicht alle Zeit bei ihnen geblieben
." Ernährt habe sie sich vom Betteln und diesen Sommer mit etwas
Handel. Warum man sie an manchen Orten nicht dulde? „Das wüßte sie
nicht, ach, der Amtmann werde es am besten wissen, es sei ein Elend. In
den Boden könnten sie nicht schlüpfen, fliegen könnten sie auch nicht,
müßten ja gelebt haben und betteln, und doch wollte man sie nicht leiden!"

Die zweite Frau trägt den Namen „Anna Rosina Büxnstihl Heinrich".
Sie kennt ihr genaues Alter nicht, weiß nur, dass sie „in dem kalten Winter
" zur Welt gekommen sei. Auch sie ist katholisch. Ihr Bruder sei bei
Rottweil Soldat geworden mit ihrem Mann Hans Georg zusammen. Meist
halten sie sich im Schwabenland auf. Geheiratet haben die beiden in Obereschau
bei Villingen, der dortige Pfarrer habe die Heiratsurkunde. Sie verdiene
etwas mit Nähen und Waschen, aber auch mit Betteln bei Rottweil
und Villingen. „Ob sie eine Zigeunerin? Von dem Vater her sei sie eine Zigeunerin
, nicht aber von der Mutter, welche aus Sachsen gewesen." Die
Familie ernähre sich „durchs Betteln allein, doch armselig genug, gebe zuweilen
gute Leute, welche ihnen alte Fetzen und ein Stück Brot gebeten,
sie müssten sich wohl behelfen, zuweilen habe sie aus Not eine Katz, Huhn
oder Gans genommen, sie könnte ja nicht Hungers sterben. Nur in Orten,
wo man ihnen nichts gegeben." Warum sie in dem Zigeunerleben herumziehe
? „Wie sie es anders machen solle, man nehme sie mit ihrem Kind
nicht an und bekomme sonst nichts zu arbeiten. Ob sie nicht wüßte, daß
Zigeuner und Heidenvolk in dem ganzen Schwäbischen Kreis so viel als
vogelfrei seien und ohne alle Gnade mit dem Tod gestraft werden sollen?


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