http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2004/0056
56
Rita Breit
Jüdischen Gemeinde - kaum weniger weit entfernt als Freiburg, indes
ebenfalls mit gewaltigem Engagement. In einer engagierten Stadt.
Von der früheren jüdischen Gemeinschaft in Emmendingen war 1945
ein einziger Mann aus Auschwitz zurückgekehrt, er überlebte nur um wenige
Jahre, hatte noch ein Buch über die Todeslager geschrieben.13 1988
setzte die Stadt Emmendingen ihrer ausgelöschten jüdischen Gemeinde eine
Gedenktafel, deren Text den mutigen Satz enthält: „Die Synagoge wurde
am 10. November 1938 von Emmendinger Bürgern demoliert und
niedergerissen."
Das Kinderlachen: die jüdischen Gemeinden leisten einen gewaltigen
sozialen Einsatz. An Lebenskraft. Und Lebenszeit. Auch die Jüdische Gemeinde
Emmendingen, die nun bald auf ihr erstes Jahrzehnt zurückblicken
wird: sie betreut fast 300 Mitglieder, überwiegend Zuwanderer aus den
GUS-Staaten, und „selbstverständlich auch deren nichtjüdische Ehepartner
und Kinder"14: Auch wieder mehrheitlich Akademiker, haben die Emmendinger
Gemeindemitglieder im arbeitsfähigen Alter (stärkste Altersgruppe:
41-50 Jahre) fast alle Arbeit, sind in Umschulung oder Studium.15
Soziale Betreuung der Menschen in den Übergangswohnheimen. Religionsunterricht
. Jugend- und Kindergruppen. Deutsch-und-russischsprachi-
ger Begleitungsdienst für Senioren zum Arzt. Kunst- und Russischkurse
für Jugendliche. Aufbau einer deutsch-russisch-hebräischen Gemeindebibliothek
. Zusammen mit der ZWST Mitorganisation von Familien- und Seniorenseminaren
, Kinder- und Jugendferienlagern. Ein Lebenswerk. Nein:
mehrere.
Zu den zutiefst berührenden Momenten gehören: Im August 1999 erhielt
die Jüdische Gemeinde Emmendingen ihre erste eigene Thorarolle.
Und im April 2001 feierte der erste dreizehnjährige Junge aus den neuen
jüdischen Familien seine Bar-Mizwa (Religionsmündigkeit).
Das Gemeindeblatt der Jüdischen Gemeinde Emmendingen, zum bevorstehenden
Schawuoth-Fest (Erntefest, Fest der Gesetzgebung am Sinai)
sehr hübsch mit farbigen Erntesträußen illustriert, kommt in deutscher und
russischer Version heraus.
Es ist Brauch, an Schawuoth die kleine Schriftrolle mit der Geschichte
der Ruth zu lesen, die ihre alte verwaiste Schwiegermutter nicht allein aus
der Fremde zurückgehen lässt und zur Urgroßmutter Davids wird. Es ist eine
Geschichte von Liebe und Treue, die kein Gesetz gebieten kann, deren
Erfüllung indes weit über sich hinausreicht als in die Geschichte wirkende
Tat; sie lehrt den Geist der Gebote.^
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2004/0056