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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
84. Jahresband.2004
Seite: 159
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Zwangsarbeit auf dem Land im „Dritten Reich"

159

Der Niederschopfheimer katholische Pfarrer Wilhelm Bartelt berichtete
wenige Wochen nach Ende des Zweiten Weltkriegs über zwei kurzzeitig
(etwa zwei Wochen) bestehende Gefangenenunterkünfte in Niederschopfheim
. Am 23. August 1945 teilte Pfarrer Bartelt dem anfragenden Ordinariat
in Freiburg mit: „Am Gründonnerstag [gemeint: 1945, U.S.] kamen
200 russische Kriegsgefangene an, für die im Schulhaus bei der Kirche und
in der vormaligen Zigarrenfabrik Ehret63 Stacheldrahtzäune errichtet wurden
. Die Bevölkerung nahm sich dieser ausgehungerten Menschen sehr
christlich an, obwohl manche Wachsoldaten nichts davon wissen wollten.
Nach dem Weissen Sonntag wurden sie wieder abtransportiert und haben
unterwegs den Tod durch SS gefunden. Ein paar Überlebende kamen nach
dem Waffenstillstand hierher aus Dankbarkeit zurück und erzählten die
schaurige Kunde. "M Woher die russischen Kriegsgefangenen kamen und
weshalb sie gerade in Niederschopfheim untergebracht wurden, wusste der
Geistliche nicht zu berichten, diese Fragen bleiben vorerst ungeklärt. Der
genaue Hintergrund dieser überlieferten Episode aus den letzten Kriegstagen
wurde noch nicht erforscht. Das Lager im ehemaligen Schulgebäude in
unmittelbarer Nähe zur Kirche und Pfarrhaus ist jedoch durchaus noch im
Bewusstsein der Bevölkerung verankert. Während für den unmittelbar benachbarten
Ort Hofweier eine Zahl von 50 Zwangsarbeiter/innen und
20 französischen Kriegsgefangenen genannt sind63, konnte bislang über
den Gefangenentrupp in Niederschopfheim noch nichts in Erfahrung gebracht
werden. Die Spuren dieser NS-Opfer und die Erinnerung an sie haben
sich längst verloren. Das kurzzeitige Niederschopfheimer Lager könnte
im Zusammenhang mit dem Versuch der Nazis stehen, die Zwangsarbeiter
/innen gegen Kriegsende durch Gewaltmärsche von ihren Einsatzorten
und damit vor den anrückenden alliierten Truppen abzuziehen. Zudem
wurden in diesen Wochen in Südbaden noch viele Gefangene durch die
Wachkommandos umgebracht.66 Bekannt sind diesbezüglich für die Ottenau
die Vorgänge im benachbarten Offenburg. Die beabsichtigte Flucht der
SS-Wachmannschaften führte dort am 12. April 1945 zu einem grausamen
Massaker in der Offenburger Artilleriekaserne, dem 41 Zwangsarbeiter
zum Opfer fielen.67 In Niederschopfheim haben den ehemaligen Seelsorger
Bartelt seine persönlichen Erfahrungen und Anschauungen nicht dazu bewegt
, in der Folge ein entsprechendes Zeugnis abzulegen. Bartelts 1964
veröffentlichte Niederschopfheimer Ortschronik entpuppt sich vielmehr als
ausgesprochenes Negativbeispiel für ein fast vollständigen Verschweigen
der nationalsozialistischen Vergangenheit.68


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