Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
84. Jahresband.2004
Seite: 375
(PDF, 115 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2004/0375
„Bin imstande mein Schicksal zu tragen'

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ich zusammengearbeitet hatte,10 stellte mich dem russischen Kommandanten
vor als die einzige Deutsche, die gut gegen die Ausländer gewesen sei.
Sie drang sehr in mich, ich sollte in ihre Heimat mitkommen, es solle mir
dort gut gehen.

Die Angehörigen der andern Nationen wurden bald abgeholt, nur um
die Deutschen bekümmerte sich niemand. Man hätte das Lager verlassen
dürfen, doch es bestand keine Möglichkeit wegzukommen. Für uns im Revier
gab es auch noch Arbeit. 800 Kranke vom Männerlager wurden zu uns
verlegt. Es waren alle Ausländer. Ich pflegte in dieser Zeit eine Französin,
die von einem russischen Chirurgen operiert worden war. Durch sie begann
für mich nun die schöne Zeit - nach 1 l/2 Jahren bitterer Entbehrung am
Dreifaltigkeitssonntag wieder eine hl. Messe und Kommunion. Das kam
so: durch sie erfuhr ich, dass im Männerlager 5 französische Offiziere angekommen
seien, darunter 2 Feldgeistliche. Von den beiden Geistlichen
sprach keiner deutsch, so bekam ich die Generalabsolution. 3 Wochen
konnte ich mich jetzt jeden Tag auf diese Stunde freuen. Die Russen durften
es allerdings nicht wissen. Wenn ich einmal morgens nicht zur hl. Messe
gehen konnte, durfte ich auch untertags kommen, um die hl. Kommunion
zu empfangen. Beim Abschied gab mir der eine französische Geistliche
300 M. für die Heimfahrt, das ich mit einer andern Ordensschwester
teilte. Von Berlin aus fuhr ich mit einer Opernsängerin in ihrem Auto nach
Magdeburg. Dort hatte ich nicht gleich die Möglichkeit weiterzukommen.
Bei Diakonissinnen machte ich Dauernachtwache und verdiente mir dabei
noch Geld. Aber ich hatte hier nicht die Möglichkeit, eine Kirche zu besuchen
, da hielt es mich nicht lange. Nach 16 Tagen ging die Reise weiter.
Bei Meiningen kam ich an die Grenze des von den Russen besetzten Gebietes
, und sie ließen niemand hinüber.

In einem christlichen Bauernhause in Wolfmannshausen fand ich Aufnahme
und eine Heimat. Der Sohn war noch nicht aus der Gefangenschaft
zurück, und er fehlte ihnen sehr bei der Feldarbeit. Da half ich nun tüchtig
mit in Feld und Haus und gehörte ganz zur Familie, musste mich auch
richtig herausfüttern lassen. Hier bin ich wieder Mensch geworden. 8 Wochen
waren rasch vorüber. Da kam der Sohn heim, meine Hilfe war nun
nicht mehr nötig, ich wollte nun den Versuch machen, heimlich über die
Grenze zu gehen. Der Kaplan des Ortes erklärte sich bereit, mich zu führen
. Der Abschied wurde uns allen schwer. Der Bauer segnete mich, wie
es mein Vater immer getan, indem er mir mit Weihwasser ein Kreuz auf
die Stirne machte. Dann ging er mitten in der Nacht mit mir auf den Friedhof
an das Grab des gefallenen Sohnes, dass wir zusammen noch einmal
ein Gebet für ihn verrichteten. Dann noch ein Gruß vor der Kirche, dem
Helfer in jeder Not. Um Mitternacht klopften wir im Pfarrhaus an - der
gefährliche Gang sollte beginnen. Viele liegen erschossen der Grenze
entlang.


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