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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
84. Jahresband.2004
Seite: 431
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Die Grimmelshausenfeiern in Renchen 1876 und 1879 in ihrem historischen Kontext

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Grimmelshausen hat in seinen Schriften dem deutschen Volk nicht
allein einen Spiegel vorgehalten, wie es ist, sondern ihm auch tapfer,
mannhaft und als ächter Fortschrittsmann gezeigt, wie es sein sollte.

Der Begriff „Fortschrittsmann" war politisch beladen. Man muss etwa daran
erinnern, dass es in Deutschland seit 1861 eine „Fortschrittspartei" gab,
die für die konsequente Durchsetzung der parlamentarischen Demokratie
kämpfte und deren Abgeordnete bei der Debatte um den Simplicissimus im
preußischen Landtag kurz zuvor für den Wert des Romans eingetreten waren
. Grimmelshausen wurde auf diesem Plakat in die Nähe der Liberalen
und „Fortschrittlichen" gerückt. Dafür war wohl vor allem Amand Goegg
verantwortlich. Die übrigen Ausschussmitglieder stimmten zu oder widersprachen
doch nicht. Unter den weitgespannten politischen Aktivitäten
Goeggs trat besonders sein Einsatz für die Arbeiterbildung hervor. Er hatte
seit 1869 einen Sitz im Zentralkomitee der deutschen Arbeiterbildungsvereine
in Genf und sah in Grimmelshausen offenbar einen Schriftsteller, der
den Bildungsinteressen breiter Volksschichten entgegenkommt."

Die erstaunliche Resonanz, die der öffentliche Aufruf des Ausschusses
fand, ist nur vor dem Hintergrund einer aufgeladenen politischen Atmosphäre
zu verstehen. Nur wenige Monate zuvor, im März 1876, hatte im
preußischen Landtag in Berlin eine erregte, sich über mehrere Tage hinziehende
Debatte über den pädagogischen Wert des Simplicissimus stattgefunden
. Anlass war eine Jugendbuchausgabe des Romans, die im Vorwort des
Bearbeiters, des Schriftstellers Elard Hugo Meyer, deutlich politische
Akzente setzte, indem sie auf die Kritik hinwies, die Grimmelshausen am
katholischen Klerus geübt habe. Als der preußische Kultusminister
Adalbert Falk, ein Vertrauter Bismarcks, die Schrift für die Verleihung von
Preisen an Schulen empfahl, musste das - vor der Folie des erbitterten Kulturkampfes
in Preußen und in Baden - die Vertreter des Katholizismus,
insbesondere der Zentrumspartei unter ihrem Fraktionsvorsitzenden
Burkhart von Schorlemer-Alst, provozieren. Die Beanstandungen am Simplicissimus
von dieser Seite sind zur Genüge dokumentiert.12 Ich beschränke
mich auf diejenigen Vorwürfe, für die man in Baden besonders hellhörig
sein musste.

Hier war die Kulturpolitik der liberalen Regierung unter Friedrich I.,
vom Regierungsantritt als Prinzregent 1852 an, dann als Großherzog 1856,
darauf gerichtet, den Einfluss und die Befugnisse beider Kirchen, der uni-
ierten evangelischen, mehr aber noch die der katholischen, zurückzudrängen
.13 Die großherzogliche Regierung suchte das durch eine lange sich
hinziehende und graduell sich steigernde Folge von Maßnahmen und Gesetzen
zu erreichen. Besonders heftig hatte sich der Kulturkampf in Baden
am Schulaufsichtsgesetz von 1862 entzündet. Durch dieses Gesetz wurde
den Kirchenleitungen und den Ortsgeistlichen die alleinige Aufsicht über


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