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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
85. Jahresband.2005
Seite: 54
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Hans Herrmann

brauchte man also nicht mehr, aber die Angst, die große Angst war geblieben
vor dem Unheil, von dem man sich bedroht fühlte. Die unsinnigsten
Gerüchte kamen auf.

„ Spione "

Bei den Bränden hatten manche zuerst den Gedanken, französische Spione
hätten das Feuer angelegt. Uberhaupt Spione! Da wurde eine Person verhaftet
, die wie Ophelia das Haupt mit Blumen geschmückt, gelegentlich bei
uns erschien und selig lächelnd von dem schönen Paris erzählte, zu welchem
sie bald zurückkehren werde. Sie hatte durch die Ausweisung aus
Frankreich den Verstand verloren. Eine andere arme Ausgewiesene war
auch nahe daran, in den Verdacht der Spionage zu geraten. Sie hatte gesagt
, wenn der Kaiser Napoleon wüßte, wie schlecht es ihr jetzt gehe, würde
er sofort 10 Regimenter schicken, um sie zu holen. Sie war von der Gemeinde
Neumühl bei einer alten Frau untergebracht und die Zwei vertrugen
sich schlecht. Da kam sie manchmal, um Trost beim Pfarrer zu suchen.
Sie war die Tochter eines Armeelieferanten von anno dazumal, der sein auf
schändliche Weise erworbenes Vermögen vertan hatte und dann nach Paris
gegangen war. Die Tochter sei in großem Wohlleben aufgewachsen und jeder
Arbeit fremd geblieben. Davon wußten noch alte Leute zu erzählen.
Jetzt war sie mit 60 Jahren oder mehr, ihrer seitherigen Heimat beraubt,
geistesgestört geworden.

Vorbereitungen im Pfarrhaus für den Kriegsfall

Die Mutter tat indessen alles, um das Haus für alle Fälle bereit zu halten.
Wäsche, Kleider und Schuhe standen für jeden bereit bei einer etwaigen
Flucht. Sie rüstete Betten zu, auch Notbetten, wenn vielleicht viel Einquartierung
käme. Sie räumte die Zimmer ein, wie sie für die Soldaten passend
erschienen, und legte unsere Bärb in das Schlafzimmer von meiner
Schwester Luise und mir.

An den Sonntagen waren die Gottesdienste sehr besucht in diesen
schweren Zeiten, aber auch die Wochenandachten, die der Vater seit
Kriegsbeginn hielt. Wenn ich ihm in der Stille der Kirche zuhörte, wich der
Druck von mir und wohl auch von vielen andern. Und doch hat er nie gesagt
, weil Gott gerecht sei, müsse er unsere Sache zu der seinen machen.
Und nie hat er uns vergessen lassen, daß Gott auch der Franzosen Gott ist.

Wir hatten damals in unserer Küche noch ein uraltes Kamin wie in Bauernküchen
mit großem Kaminschoß. Die Mutter und ich waren eines Tags
am Herd beschäftigt und hörten fortwährendes Getöse wie Kanonenschüsse
. Im übrigen Haus und im Freien hörte man nichts. Nachher kam die
Nachricht vom Kampf bei Weißenburg.


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