Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
85. Jahresband.2005
Seite: 60
(PDF, 123 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2005/0060
60

Hans Herrmann

seine liebenswürdige junge Frau unser Gast. Außer der Großmutter hatte
niemand von der Familie mehr ein vollständiges Bett, immer nur Rost und
Bettlade oder eine Matratze auf dem Boden. Mein Bruder Gotthold hatte
als Decke Vaters Schlafrock.

Die sieben Lazarettsäle in Kork waren bald belegt. Nur die ganz schweren
und die ganz leichten Fälle wurden in Kork behandelt. Wer transportfähig
war oder für mehr als ein paar Tage dienstuntauglich, wurde weiter
geschickt. Häufig kamen Kanoniere mit zersprungenem Trommelfell. Todesfälle
hatten wir wenige. Ich erinnere mich an einen Soldaten, dem das
Sterben furchtbar schwer fiel, weil er seine geliebte Frau völlig in der Abhängigkeit
seiner lieblosen harten Eltern zurücklassen mußte, und an einen
Offizier. Dieser war ein Patient von Dr. Eimer. Der Verwundete lag im Rathaus
, sein Bursche versorgte ihn. In einer Nacht, in der Schlimmes zu erwarten
war, blieb Dr. Eimer im Rathaus auf einer Pritsche liegen, damit
der Bursche ihn jederzeit rasch holen konnte. Aber als eine Blutung eintrat
, verlor dieser den Kopf, vergaß, daß der Arzt nebenan schlief, und
rannte fort und suchte ihn. Als die Hilfe endlich kam, war es zu spät. Von
den anderen Toten weiß ich nichts mehr. Der merkwürdigste Verwundete
war ein älterer Franzose oder besser ein Elsässer. Er war früher Soldat gewesen
und hatte als Zivilversorgung eine Bahnwärterstelle erhalten auf
der Sporeninsel zwischen Kehl und Straßburg. Er und seine Frau wollten
das gefährdete Gebiet nicht verlassen und hatten von den Deutschen die
Erlaubnis erhalten zu bleiben. Es geriet ihnen aber übel. Dem alten
Kriegsmann riß eine Granate den Arm weg. Er kam in Kork in den früheren
„Adler", und seine Frau pflegte ihn. Er war eine Achtung gebietende
Erscheinung, hatte keinerlei Getue an sich und zog ganz von selbst die
Aufmerksamkeit auf sich. Jeder, der mit ihm zu tun hatte, war für ihn eingenommen
. Der Vater besuchte ihn besonders gern, die Ärzte hatten eine Art
von zärtlicher Vorliebe für ihn. Eines Tags war Dr. Eimer bekümmert:
„Nun bringen wir den ... (Namen vergessen) doch nicht durch. Er ist zwar
im höchsten Grad Stoiker, aber heute steht's so, daß er furchtbare Schmerzen
haben müßte. Erfühlt aber nichts." Dennoch genas der Mann. Der Vater
befragte ihn später. Er lächelte: „Freilich habe ich die Schmerzen gefühlt
, aber was hätte es geholfen, wenn ich es gesagt hätte?" Als Frieden
war, erschienen sie wieder in Kork, um sich zu bedanken bei allen, die ihnen
Gutes getan. So kamen sie auch zum Vater. Die Frau sagte, ihre größte
Erquickung seien seine Predigten und noch mehr seine Wochenandachten
gewesen. Nie habe er ihr weh getan durch ein unfreundliches Wort über die
Franzosen. Und sie habe wohl gemerkt, daß er auch an die drüben dachte,
wenn er „für alle Menschen " betete. Französische Verwundete hatten wir
selten und nur kurze Zeit.


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2005/0060