Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
85. Jahresband.2005
Seite: 67
(PDF, 123 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2005/0067
Eine Kindheit und Jugend im Hanauerland

67

schossenen Häuser wühlten Leute nach Überbleibsel ihrer Habe. Eine
Frau fand ein Bild oder einen Teil eines solchen. Erschüttert rief sie ihrem
Manne zu: „ Lui, de 'sch der Babbe! O, de 'sch der Babbe. " (Schau, das ist
der Vater, o das ist der Vater). Die Steinstraße war fast zu Staub zermalmt.
Beim Steintor wäre ja demnächst gestürmt worden, wenn General Uhrig
die Festung nicht übergeben hätte. Mitten in dem Chaos sah ich eine unverletzte
Mauer eines vierstöckigen Hauses. In jedem Stockwerk hingen
noch die Bilder an der Wand, auch eine Uhr. Das Münster hatte manchen
Schaden erlitten; wir sahen es mit Kummer, doch war nichts Wesentliches
zerstört. Pünktlich fanden wir uns in der Herberge ein, wie wir mit Herrn
Schweikle ausgemacht hatten. Er war nicht da, war überhaupt nicht da
eingekehrt. Es war rätselhaft. Es blieb uns nichts übrig als zu warten. Er
kam ziemlich spät. Als wir abgestiegen waren, seien zwei junge deutsche
Offiziere an seinen Wagen gekommen mit dem Ansinnen, sie von Straßburg
hinauszufahren in ein bestimmtes Dorf. Er entschuldigte sich, er habe andere
Fahrgäste und sei zu bestimmter Stunde bestellt. Es half nichts. Die
Offiziere zwangen ihn zu einem Vergnügungsausflug. Mehrere Stunden
mußte er sie herumfahren. Natürlich glaubten sie, es mit einem Elsässer
Bauern zu tun zu haben, auf den man keine Rücksicht nehmen müsse. Die
Vergütung war erbärmlich. Das Pferd war so abgetrieben, daß es zunächst
nicht fressen konnte. Erst ganz spät kamen wir weg. Der Heimweg durch
die Stadt war merkwürdig. Die Deutschen hatten mit größter Strenge Straßenbeleuchtung
verlangt, aber die früheren Beleuchtungsvorrichtungen
funktionierten nicht mehr. Da mußten die Bewohner der Häuser für Licht
sorgen. Laternen hingen heraus. Lampen und Kerzen standen vor den
Fenstern. Es sah kläglich aus und war doch eine große Wohltat. Den Heimweg
nach Kork legten wir mit rasender Schnelligkeit zurück.

Bald nach der Übergabe Straßburgs wurde es in Kork still. Die Lazarette
wurden geleert, die Kehler zogen ab. In Dorf Kehl und in dem stehen gebliebenen
Teil von Stadt Kehl sind wahrscheinlich alle untergekommen.

Von den französischen Kriegsgefangenen, die von Straßburg weggebracht
wurden, sah ich einmal ein Trüpplein, das zu Fuß von Kehl gekommen
war, am Bahnhof Kork stehen und auf ihren Zug warten. (Der Bahnverkehr
mit Kehl war noch nicht wieder hergestellt.) Die Leute kamen aus
Lazaretten und waren eine bunt zusammen gewürfelte Schar in allen möglichen
Uniformen. Ein Bauer, der gerade dort Äpfel abmachte, gab der Begleitmannschaft
einige und fragte, ob er auch den Gefangenen einige geben
dürfe. Ja, er durfte. Da schüttelte er seine Bäume und winkte den
Franzosen. Eifrig und vergnügt wie Kinder lasen sie das Obst auf. Ein einziger
beteiligte sich nicht daran und sah verächtlich auf das Treiben herab.
Es war ein riesiger Sohn der Wüste, braun und hager, in einen weißen Burnus
gehüllt. Warum er wohl nichts wissen wollte von der freundlich gebotenen
Gabe?


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2005/0067