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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
85. Jahresband.2005
Seite: 70
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Hans Herrmann

Phrasen um sich warf. Er wolle drüben eine Lehrerstellung annehmen und
deutsche Kultur verbreiten. Er zeigte mir seine Papiere. Darin stand, von
einer norddeutschen Gemeinde bezeugt, daß er mehrere Jahre dem Dorf
Dienste geleistet habe als Schulmeister und Schweinehirt. Ich konnte fast
nicht begreifen, daß es in meinem Vaterland noch so ein Überbleibsel aus
Friedrichs des Großen Zeiten gab.

Der Vater war mit mir in Straßburg, um Pfarrer Riff zu besuchen, dessen
Frau mit meiner Mutter entfernt verwandt war. Vor dem Krieg war der
Pfarrer ein stattlicher, gesunder, fröhlicher Mann gewesen, dann kam die
Belagerung. Er schickte seine Frau und die beiden Töchter mit den
Schweizern aus Straßburg heraus. Er selbst blieb selbstverständlich zurück
, obwohl er schon leidend war. Jetzt trafen wir einen matten und kranken
Mann im Lehnstuhl an. Mit leiser Stimme erzählte er uns von den
schweren Wochen der Belagerung, während deren er im Keller wohnte.
Kein Glied seiner Gemeinde ist in der Zeit gestorben, ohne daß er ihm das
Geleit zum Grabe gegeben hätte. Meist sei niemand beim Begräbnis gewesen
als er und die Träger. Oft mußten sie unterwegs in Hauseingänge
flüchten, weil die Granaten niederfielen. Im botanischen Garten war in
dieser Zeit die Begräbnisstätte. Überall wo Kranke waren, machte er Besuche
, suchte so viel wie möglich zu trösten und aufzurichten. Ich glaube, es
war die schönste Zeit seines Lebens, obgleich sie ihm den Tod brachte. Die
Entbehrungen und Erregungen, der Mangel an Pflege hatten ein Herzleiden
zum Ausbruch gebracht. Wir haben ihn nicht wieder gesehen. Er ist
bald darauf gestorben.

Deutschland -für das Elsass eine Stiefmutter

Nach dem Krieg strömten viele Hanauer und Kehler nach Straßburg, um
ihre Freunde und Bekannten zu besuchen und zu sehen, welche Zerstörungen
die Stadt durch den deutschen Artilleriebeschuss erlitten hatte.

Straßburg wurde die Hauptstadt des neuen Reichslandes Elsass-Lothrin-
gen.

Die deutsche Regierung besetzte die Verwaltung von Elsass-Lothringen
fast ausschließlich mit preußischen Beamten und verlegte viele deutsche
Truppen nach Straßburg. Um die vielen Militärs und Beamten unterzubringen
, legte sie in den nächsten 30 Jahren ein riesiges Bauprogramm auf.
Zwischen der Avenue de la Marseillaise und der Schwarzwald- und Voge-
senstraße und um die Robertsauer Allee herum wurde das „deutsche Viertel
" gebaut, dessen Jugendstilhäuser mit den modernsten technischen Einrichtungen
der damaligen Zeit wie Wasserleitung, Gasheizung und WC
ausgestattet waren. In diesem Viertel wurden auch die neue Universität, die
Post, die Bibliothek, ein Theater, das Konservatorium, die Garnisonskirche
, der Kaiserpalast und 30 weitere öffentliche Bauten errichtet. Zwi-


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