Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
85. Jahresband.2005
Seite: 112
(PDF, 123 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2005/0112
112

Heinz G. Huber

In der Tat war trotz weitgehend christlicher Überformung in diesem
Brauch ein Element rudimentären Volksglaubens enthalten, die Angst vor
der Rückkehr der Toten als „Wiedergänger"68. Der „Abschirmbrauch" sollte
eine Rückkehr des Toten verhindern, indem eine noch bestehende
Schuld des Toten gegenüber Mitgliedern der Gemeinde oder von Personen
der Gemeinde gegenüber dem Verstorbenen aufgehoben wurde. Wie lebendig
diese Wiedergängervorstellungen waren, zeigt ein Blick auf die Sagenwelt
des Renchtals.

So ist in Bottenau, Nußbach, Nesselried und Appenweier die Sage von
der „Kammeri Bettlad" in einigen Varianten verbreitet.69 Eine ledige Frau
aus dem Bottenauer Tal gebar einige Kinder, die sie nach der Geburt ermordet
haben soll. Die Schuld trieb sie nach ihrem Tod in ihr Haus zurück.
Als auf ein Klopfen die neuen Bewohner die Tür öffneten, stürmte eine
kohlrabenschwarze Gestalt herein, warf sich auf das Bett in der Stube und
wälzte sich schreiend darin herum, dass die Bettlade fast in Stücke ging.
Ein Kapuziner aus Oberkirch bannte den Geist in eine Schachtel und
brachte diesen ins Rappenloch. Als er erneut auftauchte, bannte ihn der
Kapuziner unter eine steinerne Bettlade, auf der er sich in den zwölf Raunächten
umherwälzt. Nach einer anderen Version schaute diese Frau nach
ihrer Beerdigung aus dem Kammerladen heraus und rief den zurückkehrenden
Beerdigungsgästen zu: „Gell, ich bin vor eich deheim!"

Auch der bekannteste Geist des Tals, der Moospfaff, ist der Sage nach
ein Wiedergänger. Es soll sich bei ihm um einen Abt des Klosters Gengenbach
handeln. Bei einem Streit um den Mooswald schwor er, auf dem
Grund des Klosters Gengenbach zu stehen. Vorher hatte er Erde aus dem
Gengenbacher Klostergarten in seine Stiefel gefüllt. Für seinen Betrug
musste er nach dem Tod umhergehen.70 Ebenso fand wegen betrügerischer
Machenschaften in einem Waldstreit mit der Gemeinde Griesbach die
„Lempi" keine Ruhe.71

Sühnekreuze und Bildstöcke können auch vor dem Hintergrund gesehen
werden, dass ein Verbrechen durch Aufstellung eines Sakraldenkmals gesühnt
und damit eine Wiederkehr des Täters oder Opfers verhindert werden
sollte. Der älteste Bildstock des Renchtals am Bergsattel südlich der Burg
Fürsteneck bei Oberkirch wurde 1508 errichtet. Anlass war, dass bei einer
Fehde zwischen den Schauenburgern und dem Burgvogt auf Fürsteneck
ein Knecht erschlagen worden war. Durch die Aufstellung des Bildstocks
sollte Sühne geleistet werden. Ebenso errichtete die Bottenauer Allmendgenossenschaft
an der Talstraße 1839 „das rote Bildstöckchen". Damit
sollte der Mord eines Handwerksgesellen an einem Metzger gesühnt werden
.72 „Schuld" war nicht nur eine Angelegenheit des Individuums, sondern
auch ein Problem der Gemeinschaft. Diese war für die gestörte Ordnung
verantwortlich, die auch den Bereich der Toten umfasste.


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2005/0112