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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
85. Jahresband.2005
Seite: 168
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Wilfried Lienhard

cken." Die älteste reiche bis zum Jahr 1200.13 So kommt Sauer bereits am
9. April 1917 in einer Denkschrift an das Ministerium zur Erkenntnis: „Die
angeordnete Beschlagnahme der Glocken bedeutet einen derart einschneidenden
Eingriff in einen sehr wichtigen, in seinen Einzelheiten meist noch
ganz ungenügend bekannten Bestand an heimischen Denkmälern, die zu
einem guten Teil hohen Kulturwert, sei es künstlerischen, kunstgewerblichen
oder geschichtlichen aufweisen und mit der Gefühlswelt des Volkes
in einem unlösbaren Zusammenhang stehen, daß es dringend geboten erscheint
, daß alle zuständigen Instanzen Vorkehrungen treffen, zu retten und
zu erhalten, was unter den gegebenen Verhältnissen möglich ist."

Auch mit den Glocken seiner Heimatgemeinde muss sich Josef Sauer
befassen. Im Frühjahr 1917 sind auf Pfarrer Johann Fortenbachers Tisch
im Unzhurster Pfarrhaus die ersten Forderungen gelandet.14 Der Stiftungsrat
wendet sich in Sachen „Bestandsaufnahme, Beschlagnahme und Enteignung
" der Glocken an das Erzbischöfliche Bauamt in Karlsruhe, wo er
um sachgemäße Beurteilung der Verhältnisse durch einen Vertreter vor Ort
bittet. Nach diesen Angaben tragen die Glocken die Jahreszahlen 1820,
1824 und 1865.15 Auf eine Zurückstellung wegen des Alters hofft der Stiftungsrat
nicht, und auch einen wissenschaftlichen Wert kann er nicht erkennen
. Um aber nicht ganz „glockenlos" zu werden, hat der Stiftungsrat
den Kommunalverband schon am 10. Mai 1917 gebeten, die etwa drei
Zentner schwere zweitkleinste Glocke des Unzhurster Geläutes als Läuteglocke
behalten zu dürfen.16 Am 12. Juni schreibt der mit dem Glockeneinzug
beauftragte Kommunalverband Bühl: „Das Heeresinteresse verlangt
eine mit allen Mitteln zu beschleunigende Ablieferung der beschlagnahmten
und enteigneten Bronzeglocken". Die „Glockensammler" drängen,
sechs Tage später mahnt der Kommunal verband, bis zum 30. Juni 1917 die
Glocken der Gruppe A an der Bühler Güterhalle abzuliefern. Zudem soll,
gewissermaßen als freiwilliger Akt, „auch die entbehrliche Anzahl der
Glocken Gruppe B abgeliefert werden" - und wie das Pferd mit einem Zuckerstückchen
gelockt wird, winkt der Kommunalverband mit einer Prämie
von einer Mark pro freiwillig abgeliefertem Glockenkilogramm.17

Die Glocken seiner Heimat kennt Sauer genau. Oft hat er sich von ihnen
in die Kirche rufen lassen, sie haben ihr Loblied gesungen, als der junge
Priester zur Primiz in „sein" Gotteshaus schritt. Jetzt soll Sauer ein Gutachten
aufsetzen, das möglicherweise ihr Todesurteil würde. Am 20. Juli
1917 schreibt Sauer seine Expertise über das Unzhurster Geläute. Wortreich
bemüht er sich, die Unzhurster Glocken zu retten und damit die klingende
Erinnerung an die Kindheit. Alle drei Glocken stammen aus dem
19. Jahrhundert, sie „liegen also diesseits der im Prinzip aufgestellten
Schamgrenze." Doch Sauer beherrscht die Kunst des dialektischen Argumentierens
. Er attestiert zumindest bei den beiden größeren Glocken einen
„noch beachtlichen Kunstwert".18 Gegossen hat sie Johann Ludwig Edel.


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