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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
85. Jahresband.2005
Seite: 385
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Wein, Wohltätigkeit und sozialer Aufstieg: Die Geschichte der jüdischen Familie Durlacher ... 385

sehe Ausbildung an der Höheren Bürgerschule im benachbarten Euenheim
genossen und damit verbesserte Voraussetzungen für eine kaufmännische
Laufbahn erlangt.20 In den 1870-er Jahren avancierte er zum Vorsteher der
Kippenheimer jüdischen Gemeinde. Zudem ernannte man ihn später zum
Ältesten des Rabbinatsbezirks, in dessen Funktion er sich unter anderem
1884 maßgeblich für eine Erweiterung des jüdischen Verbandsfriedhofs in
Schmieheim einsetzte.21 Im Jahr 1876 wurde Moritz Durlacher auf dreierlei
Weise in wohltätiger Weise tätig. Möglicherweise steht dies in Zusammenhang
mit seiner Ernennung zum Vorsteher der jüdischen Gemeinde
oder aber mit dem Tod seines Vaters im vorangegangenen Jahr. Seine Stiftung
einer neuen Torarolle für die Kippenheimer Synagoge war ein herausragendes
Ereignis in der Geschichte der jüdischen Gemeinde. Für den Ablauf
der Feierlichkeiten wurde ein eigenes Programm gedruckt.22 Nach
dem Gottesdienst am Schabbatabend des 11. August 1876 konnte die neue
Torarolle im Haus des Stifters besichtigt werden. Am Schabbatmorgen
brachte sich nach dem Frühgottesdienst vor der Synagoge ein Festzug in
Position. Der Zug bewegte sich durch den Ort, um am Wohnsitz Durlachers
die neue Torarolle aufzunehmen und in die Synagoge zu überführen,
wo sie unter feierlichen Gesängen und nach einer Predigt des Bezirksrabbiners
ihren Platz bekam. Am Nachmittag lud Moritz Durlacher in seinem
Haus zu einem Festessen ein, den Abschluss der Festlichkeiten machten
Ballveranstaltungen in zwei Kippenheimer Gasthäusern.23 Ebenfalls seit
dem Jahr 1876 stellte Durlachers Firma für die Bedürftigen Kippenheims,
und zwar jeglicher Konfession, 110 Mark pro Jahr zur Verfügung. Schließlich
richtete die Firma ein jährliches Legat in Höhe von 620 Mark zugunsten
der sechs jüdischen Landgemeinden der Region (Rust, Diersburg, Friesenheim
, Nonnenweier, Altdorf und Schmieheim) ein.24 Mit seinen Stiftungsaktivitäten
kam Moritz Durlacher dem religiösen Gebot der „zedaka"
nach, das wohltätige Werke erwartet und dem man sich im Judentum verpflichtet
fühlt. Es wäre in diesem Zusammenhang lohnend, sich einmal einen
Überblick über die zahlreichen jüdischen Stiftungen im Bereich der
Ortenau zu verschaffen, in deren Gesamtkontext sich die wohltätigen Aktivitäten
der Durlachers bewegten.25

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wagte dieser Teil der Familie Durlacher
den Schritt aus dem Dorf heraus und verlagerte sein Unternehmen in
die Großstadt Hamburg. Der generell zu beobachtende Rückgang der Kippenheimer
Dorfbevölkerung in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts
machte sich beim jüdischen Gemeindeteil überproportional bemerkbar
. Die jüdische Gemeinde verlor zwischen 1875 und 1900 rund 11% ihrer
Mitglieder, für die Gesamtgemeinde gerechnet waren es nur rund 6%.
Dies erlaubt die These, dass sich die Juden auf dem Hintergrund der
Emanzipationsgesetze weitaus schneller zur Abwanderung in die größeren
Städte und für neue berufliche Herausforderungen entschließen konnten als


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