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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
85. Jahresband.2005
Seite: 422
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Hans-Jochen Schuck

Geck und seiner erst kürzlich angetrauten Frau bewohnt". Dazwischen:
Vernehmungsprotokolle und die monatlichen Meldungen, meist Nebensächlichkeiten
- das politisch Wichtige, Brisante ist den Hütern des Gesetzes
wohl entgangen -, die sich z. B. so lesen: „Es konnten keinerlei Zusammenkünfte
ermittelt werden"; „Ein Herr Rüdt6 aus Heidelberg hat
über Zell-Riedle die Villa aufgesucht"; „Villa steht leer, Schlüssel ist bei
Hofbauer Kimmig"; Bestimmtes bezüglich des Briefverkehrs konnte ich
nicht ermitteln, da die Briefträger wegen Dienstanweisung jede Auskunft
verweigern"; „Melde gehorsamst, dass ein Eass Bier von Bierbrauer Karl
Wagner ins Landhaus nach Hinterohlsbach verbracht wurde". Auch das
Kranzwirtshaus in Durbach-Gebirg (Ausweichquartier für Übernachtungsgäste
) und das Laubenwirtshaus in Zell-Weierbach wurden sporadisch observiert
, deshalb reisten auswärtige Gäste mit der Eisenbahn lieber über
Gengenbach an oder ab. Der Laubenwirt, der die Straße übers Fritscheneck
zum Brandeck-Lindle gut einsehen konnte, soll zeitweise Informant gewesen
sein. Ein Rätsel blieb den Sicherheitsbehörden der Ausländer Strehlen.
Was konnte ihn nur bewogen haben, seine wertvolle Immobilie „für'n Appel
u'n Ei" wegzugeben? Wiederholte Einsichtnahmen in das Grundbuch
und Gespräche mit dem Ohlsbacher Ratsschreiber Michael Huber sind protokolliert
, führten in dieser Frage aber nicht weiter. Im Grunde sind die
Dossiers wenig spektakulär, sie ermöglichen aber eine genaue Datierung
bestimmter Ereignisse. Am 6.4.1891 erfolgte die Umschreibung auf die
Offenburger Sozialdemokraten Glasmaler Eugen Börner und Hutmacher
Ludwig Dotter. Der selbstlose und hochherzige Strehlen hatte den Besitz
mit dem Wunsch übergeben, „er möge ein Erholungsort werden zum Wohle
der Opfer des Daseinskampfes". Damit beginnt die eigentliche Geschichte
des jetzt „Villa Brandeck", „Brandeck" oder „Villa" genannten Ortes als
Versteck und Stützpunkt der illegalen Sozialisten.

Ein erster prominenter Gast auf der Suche nach einem Unterschlupf war
der Arzt Dr. Otto Walther (1855-1919), freisinniger Geist, Duzfreund Bebels
, Liebknechts und Engels, ein Sozialidealist, der zusammen mit seiner
Frau, der Engländerin Hope Adams (1855-1916), eine Praxis in Frankfurt
betrieb. Mrs. Adams, klein und zierlich, war eine der ersten Frauen, die
Medizin studiert hatten; die Universität Leipzig konnte sie nur mit einer
Sondergenehmigung der Kaiserin Auguste Victoria besuchen, die allerdings
nicht ahnen konnte, dass sie sich für eine kämpferische Sozialistin
eingesetzt hatte.7 Examen legte sie in Bern ab, wo sie auch promovierte.
Zwischen 1883-1884 übersetzte sie Bebels bekanntestes Werk „Die Frau
und der Sozialismus" ins Englische. Otto Walther war den Behörden schon
früh dadurch aufgefallen, dass er als Vertrauensarzt für verschiedene Hilfskassen
arbeitete, die „sozialistischem Einflüsse unterlagen." Als das Ehepaar
Walther mit den herrschenden Gesetzen immer mehr in Konflikt geriet
und einer drohenden Ausweisung aus Frankfurt zuvorkommen wollte,


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