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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
85. Jahresband.2005
Seite: 425
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„ Villa Brandeck" in Hinterohlsbach und die Sozialdemokratie

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illegalen Literatur war Zürich, Zuflucht vieler verfolgter Sozialrevolutionäre
. Von dort gelangten „Der Sozialdemokrat" und „Vorwärts" zusammen
mit Flugschriften, von emigrierten russischen Intellektuellen als „Exportartikel
" in Kisten verpackt und als „Glaswaren" an die Offenburger Glasfabrik
Carl Geck gerichtet, zunächst bis zur Grenze. Hier trat Joseph Belli
(Deckname „Biedermann") von Kreuzlingen aus in Aktion und schleuste
die Ware nach Deutschland. An der Offenburger Güterhalle stand der Kohlenhändler
Jacob Autenrieth (1829-1908; einer der ersten eingeschriebenen
Sozialdemokraten) mit seinem Fuhrwerk und schaffte die Kisten in die
Zähringerstraße 9, wo sich der „Zähringer Hof befand9 - unter seinem
Wirt Hermann Geck noch immer traditioneller Sammelpunkt der Gegner
einer undemokratischen, repressiven Obrigkeit. Auf der Kegelbahn wurde
ausgepackt, auf kleinere Sendungen verteilt, neu adressiert und nach Listen
ins ganze Reich weiterversandt. Gleiches geschah in bescheidenerem Umfang
auf der „Brandeck", und alle, die sich gerade dort oben aufhielten,
wurden eingespannt: das Ehepaar Walther, die „Parteiklara",10 die Offenburger
Ludwig Dotter und Karl Lehmann. Bei zu hohem Transportanfall
diente die Spedition Ferdinand Hauger als Zwischenlager, was allerdings
einmal schieflief. Eine weitere Einschleusungsmöglichkeit bestand darin,
Koffer mit unerlaubter Literatur als „Reisegepäck" bis 50 kg von Basel
oder Konstanz nach Offenburg aufzugeben. Natürlich konnte das nicht immer
gutgehen; sieben Monate Gefängnis musste Carl Geck (Deckname
„Kommerzienrat") wegen Verbreitung verbotener Schriften absitzen. In
den letzten Jahren des Sozialistengesetzes betrug die auf diese Weise von
der „Roten Feldpost" über die Grenze geschmuggelte und weiterverteilte
Auflage des 1879 in Zürich gegründeten Parteiorgans „Der Sozialdemokrat
" 10.000-12.000 Exemplare." Die Hauptumschlagplätze Offenburg
und Mannheim wurden auf diese Weise zu Führungszentren der badischen
Sozialdemokratie, der „Zähringer Hof und die „Villa Brandeck" spielten
dabei eine nicht unbedeutende Rolle.

Manager des Schmugglerrings in diesem hervorragend organisierten
Verteilerapparat war Joseph Belli (1849-1927), gebürtig aus Rammersweier
. Im katholischen Gesellenverein war er mit Lassalle und dem Arbeiterverein
in Berührung gekommen, auf seiner Wanderung nach Süden
gründete er in Konstanz die einzige Parteizelle im Bodenseegebiet. Von
Beruf Schuhmacher agierte er als Vertriebsbeauftragter des Züricher Verlags
der Volksbuchhandlung, der einen schwunghaften Großversand von
preiswerten Schriften und Volksausgaben sozialistischer Autoren betrieb,
später bekleidete er die Stelle eines Prokuristen im Verlag J.H. Dietz,
Nachf., Stuttgart. Über seine Rolle in der Zeit der „politischen Inquisition"
veröffentlichte er 1912 ein Büchlein, das Heinrich Hansjakob mit dem
Kompliment „so reizvoll niedergeschrieben, wie ich es noch selten gelesen
" bedachte.12 Belli lebte ab 1919 bis zu seinem Tod bei seiner Tochter


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