Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
85. Jahresband.2005
Seite: 430
(PDF, 123 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2005/0430
430

Hans-Jochen Schuck

die Polizeiwillkür bei der Anwendung des Gesetzes aufzeigte und noch im
Jahr ihres Erscheinens vier Auflagen erlebte.18 Der Obersekundaner Muser
war 16 Jahre alt, als er dem vier Jahre jüngeren Adolf Lateinunterricht erteilte
, als dieser direkt in die zweite Klasse des Gymnasiums überwechseln
sollte. Der Hauslehrer bekam ein Vesper mit Liter Wein und drei großen
Scheiben Brot mit Käse, serviert von der Wirtin des „Zähringer Hofes".19
Aus diesen Lateinstunden erwuchsen eine enge Freundschaft und Kampfgemeinschaft
für Freiheit und Recht. Beide trugen wie Hansjakob und
Franz Huber den breitkrempigen, schwarzen Hut der 48er-Demokraten.
Die jeweilige Verteidigungsstrategie wurde mit den Klienten auf der einsam
gelegenen „Brandeck" ausgeklügelt. Wie schnell man mit den Gesetzen
in Konflikt kommen konnte, mögen zwei Beispiele zeigen: Als die
Zimmerleute am Richtkranz des neuen „Häusle" von Adolf Geck in der
Zähringerstraße 13 aus purem Übermut ein rotes Tuch befestigt hatten,
wurde solches Tun mit 5 Mark bestraft; das Summen der „Marseillaise"
oder das Verteilen des deutschen Liedtextes zum Mitsingen dagegen schon
mit 20 Mark geahndet. Allerdings ging der Strafvollzug in Baden etwas
gemütlicher als in Preußen vonstatten. Wegen eines Familienfestes durften
die „Politischen" das „Grabenhotel" (d.h. das Gefängnis in der Grabenstraße
) schon mal verlassen, um mitfeiern zu können.

Oskar Muser gehörte nicht zu den Sozialisten; im Gegenteil, er suchte
die Auseinandersetzung mit ihnen und ihrem Programm und brachte dabei
neue, wertvolle Gedanken ein. Sein Engagement in den Prozessen gegen
Sozialdemokraten entsprang der tiefen Überzeugung, dass das Sozialistengesetz
- in seinen Augen ein Willkürakt - auch eine Provokation für alle
Demokraten und Liberale war. Der feinsinnige, geistreiche, literarisch und
musisch hochgebildete Jurist vertrat von 1889-1918 die Demokratische
Volkspartei im badischen Landtag, zeitweise war er Vizepräsident. In der
Geschichte des Ständehauses wird er als einer der profiliertesten Vertreter
der bürgerlichen Demokratie und als politische Persönlichkeit zusammen
mit Karl von Rotteck, Karl Theodor Welcker und Ludwig Frank genannt.
Neben der Tätigkeit im Offenburger Bürgerausschuss und seiner Anwaltskanzlei
fand er noch Zeit, Beiträge und Schriften zu verfassen, u.a. über
Bildungswesen, Kulturpolitik und die Stellung der Frau im Staat. Im Alter
gewann der in ihm schlummernde Gelehrte die Oberhand: Er hielt Vorträge
über Philosophie und Ethik, vor allem Kant hatte es ihm angetan. Für die
über Offenburg hinausreichende Bedeutung des noblen, liberalen Politikers
spricht nicht zuletzt, dass der junge Theodor Heuss ihn zuweilen in seinem
Haus in der Wilhelmstraße 3 zum geistigen Austausch aufsuchte.

Am 30. September 1890 lief das Sozialistengesetz aus, für eine Verlängerung
hatte sich im Reichstag keine Mehrheit gefunden - damit nahmen
die Unterdrückung der Arbeiterpartei, ihrer Organisationen, Versammlungen
und Presseerzeugnisse sowie die Ausweisung von Personen aus be-


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2005/0430