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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
85. Jahresband.2005
Seite: 457
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Im KZ geschunden, unier Aktendeckeln begraben

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tigt bleibt dabei, dass der zweite Antrag nur dann zulässig ist, wenn über
das vorausgegangene Verfahren nach dem Badischen Entschädigungsgesetz
ein rechtskräftiger Bescheid oder ein rechtskräftiges Urteil vorliegt.
Diese gesetzliche Voraussetzung ist jedoch nicht gegeben.

Erneut gehen Jahre ins Land. Elsa Santo lebt mit ihrer Tochter immer
noch auf dem elterlichen Bauernhof in unveränderter Armut. Auch dem
Mädchen Johanna geht es nicht gut. Da Elsa Santo durch das ihr im KZ zugefügte
Leid schwere Depressionen hat, spricht sie nur wenig. Das Mädchen
ist emotional vereinsamt, zumal auch die Großmutter nicht mit ihr
spricht. Die Oma hasst die Enkelin und gibt ihr die Schuld an allem Elend.
Sie nennt das Kind „Polakenbastard". Immer wenn Elsa Santo das Haus
verlässt, um sich um ihre Wiedergutmachungsangelegenheiten zu kümmern
, bleibt Johanna mit der Oma allein zu Hause. Diese zieht dann alle
Fensterläden zu und sperrt das Mädchen ohne Nahrung im Dunkeln ein.
Die Großmutter hat für ihre Enkelin nie ein gutes Wort, geschweige denn
ein Geschenk zum Geburtstag.

Am l. September 1957, also elf Jahre nach der ersten Antragstellung,
schreibt Elsa Santo wieder an die Wiedergutmachungsbehörde:

„Ich nehme an, daß ich in Vergessenheit geraten bin (...) Sie werden begreifen
können, daß ich nicht geschrieben hätte, wenn ich mich nicht in
größter Not befände."

Die Wiedergutmachungsbehörde antwortet am 6. September 1957:

„Ihr Entschädigungsantrag ist nicht in Vergessenheit geraten. Es stehen
aber die Anträge der Anspruchsberechtigten des Geburtsjahrgangs 1906,
dem Sie angehören und nach dem die Anträge im allgemeinen bearbeitet
werden, noch nicht zur Bearbeitung an. Ausnahmen in der Rangfolge können
nur bei Nachweis einer akuten Notlage, bedingt durch schwere Erkrankung
des Antragstellers selbst oder einer Person, der Unterhalt gewährt
werden muß, gemacht werden. Eine solche Tatsache ist in Ihren Akten
nicht nachgewiesen worden. Wir werden zur gegebenen Zeit auf die Angelegenheit
zurückkommen und bitten Sie höflichst, sich bis dahin noch zu
gedulden, es sei denn, Sie weisen eine Notlage nach."

Am 21. November 195811 teilt das Landesamt für Wiedergutmachung dem
KZ-Opfer schließlich mit, dass auch der Antrag vom 24. September 1954
abgelehnt wurde, da die Antragstellerin nicht aus politischen Gründen im
KZ gewesen sei. Die weitere Begründung in dem Bescheid musste Elsa
Santo geradezu als Verhöhnung ihrer leidvollen Vergangenheit im KZ
empfinden:

„ Für das Verbot des Umgangs mit Polen waren nicht die sich aus der
nationalsozialistischen Ideologie ergebenden Verfolgungsgründe maßgeblich
, sondern militärische Erwägungen. Als kriegsbedingte Abwehr- und


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