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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
85. Jahresband.2005
Seite: 459
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Im KZ geschunden, unter Aktendeckeln begraben

459

Sicherungsmaßnahmen richtete sich dieses Verbot an alle (...) Das Verbot
war daher keine nationalsozialistische Gewaltmaßnahme (...) Gegen die
Antragstellerin ist auch nicht etwa aus Gründen politischer Gegnerschaft
zum Nationalsozialismus mit besonderer Härte verfahren worden."

Infolge ihres stark geschwächten Gesundheitszustandes und ihrer finanziellen
Notlage bringt Frau Santo nicht mehr die Kraft auf, gegen die Entscheidung
des Landesamts für Wiedergutmachung ein Rechtsmittel einzulegen
.

Abgesehen von der völlig falschen Tatsachenwürdigung ist die Formulierungsbegründung
für das KZ-Opfer verletzend und eines Rechtsstaates
unwürdig. Dass Frau Santo aber inzwischen nach dem Allgemeinen
Kriegsfolgegesetz zweifelsfrei eine Wiedergutmachung zusteht, erwähnt
die zuständige Entschädigungsbehörde von Baden-Württemberg in ihrem
ablehnenden Bescheid vom 21. November 1958 nicht. Die Landesbehörde
leitet den Zweitantrag auch nicht an die für das Allgemeine Kriegsfolgegesetz
(AKG) zuständige Oberfinanzdirektion Freiburg weiter.

Sechsunddreißig Jahre später bemerkt das Finanzministerium Baden-
Württemberg in einer Stellungnahme vom 9. September 199412 zum Fall
Elsa Santo trocken an:

„Es konnte von den Entschädigungsbehörden nicht verlangt werden,
daß sie die zahlreichen in jener Zeit sich ständig verändernden Regelungen
über Wiedergutmachungsleistungen mit jeweils verschiedenen Behördenzuständigkeiten
und Antragsfristen kannten und detaillierte Informationen
gaben."

Nachdem alle Versuche, eine Wiedergutmachungsleistung zu bekommen
, gescheitert waren, stirbt das im KZ-Lager geschundene und in den
Nachkriegsjahren von den Behörden menschen- und rechtsunwürdig behandelte
Nazi-Opfer am 18. April 1961, im Alter von 55 Jahren an den
Folgen der im Lager erlittenen körperlichen und seelischen Qualen.

Nach dem Tode ihrer Mutter bittet die Tochter Johanna um Überprüfung
des Wiedergutmachungsverfahrens

Als die Mutter stirbt, ist Johanna gerade achtzehn Jahre alt geworden. Nun
ist sie Vollwaise und als damals noch Minderjährige dem Kreisjugendamt
Lahr als der staatlichen Amtsvormundbehörde unterstellt. Diese holt sie
aus ihrem erlernten Beruf als Steuerfachgehilfin heraus und setzt sie als
Putzhilfe im evangelischen Altersheim „Jammstift" in Lahr ein, wo sich zu
der betreffenden Zeit noch mehrere Vollwaisen im Einsatz befinden. Dem
bisherigen Arbeitgeber und Johanna Santo gegenüber rechtfertigt sich das
Kreisjugendamt damit, dass es eben das Schicksal derer sei, die keine Eltern
mehr haben. Man benötige billige Putzkräfte, da ansonsten die Altersheime
nicht mehr zu finanzieren seien.


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