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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
85. Jahresband.2005
Seite: 513
(PDF, 123 MB)
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Johann Gottfried Tulla und die Korrektion des Oberrheins

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werden. Die Umgebungen dieser Orte und insbesondere die Gärten werden
sehr gewinnen und die Obstkultur wird emporkommen ..."

Doch die raue Wirklichkeit hatte Tulla schnell wieder eingeholt. 1826
ließ Preußen durch seinen Gesandten in Karlsruhe dem Großherzoglichen
Hof eine Note überreichen, in der gegen die Fortsetzung der Rheinregulierung
Einsprache erhoben wurde. Es wurde erklärt, dass die Ausführung der
badisch-bayerischen Pläne einen höchst nachteiligen Einfluss auf die
Schifffahrt, „geradezu aber einen verderblichen für das preußische, zwischen
Felsen eingeschlossene Rheintal" haben würde.

Die Loreley in Gefahr also! Und die Niederlande schlössen sich diesem
preußischen Protest an. Jetzt war es an Tulla, die preußischen Bedenken zu
zerstreuen, die Argumente zu widerlegen. Doch auf halbem Weg musste er
aufgeben: Tulla war immer ein kränklicher Mann gewesen, hat seine Gesundheit
dann wohl am Wasser und in den Sümpfen, auf den ewigen
Dienstreisen bei Wind und Wetter vollends ruiniert. 1827 reist er zum
zweiten Mal nach Paris, jetzt, um sich dort operieren zu lassen. Er leidet an
Blasensteinen und Dr. Civiale, eine Kapazität auf diesem Gebiet, hat eine
neue Operationsmethode entwickelt. Es folgt eine ganze Reihe von Eingriffen
, aber Tullas Zustand verschlechtert sich. Am 27. März 1828 stirbt
er. Sein Nachlass wird versteigert. Sein Grab kann man noch heute auf
dem Friedhof Montmartre besuchen.

Tulla ruht dort ganz in der Nähe von Heinrich Heine. Auch der Dichter
war ein Mittler zwischen Deutschland und Frankreich; auch er war fasziniert
- in seinem Metier - vom Rhein. In seinem Versepos „Deutschland,
ein Wintermärchen" führt er mit dem „Vater Rhein" ein langes satirisch-
geschliffenes Gespräch über die deutsch-französische Rheinproblematik.
Von der Loreley einmal ganz zu schweigen!

Auf Heines Grab liegen immer ein paar Blumen; am Grabe Tullas aber
gehen die meisten Besucher vorbei. Doch der gewaltige Prozess, den Tulla
mit seiner Rektifikation des Flusses in Bewegung gesetzt hat, ist immer
noch nicht beendet. Nach langen Verhandlungen ist die Begradigung
weitergegangen und war um 1880 abgeschlossen. Im 20. Jahrhundert begann
man mit einer Regulierung durch Buhnen und Leitwerke, um zwischen
Mannheim und Basel die ganzjährige Großschifffahrt zu ermöglichen
. Nach dem Ersten Weltkrieg entstand der Grand Canal d'Alsace mit
vier Staustufen zwischen Kembs und Vogelgrün; sechs weitere Staustufen
wurden nach dem Zweiten Weltkrieg zwischen Marckolsheim und Iffezheim
gebaut. Und jedes Projekt war ein gewaltiger Eingriff in die Natur.
Der gefräßige Rhein aber, immer noch ungebändigt, muss Jahr für Jahr mit
einer so genannten „Geschiebezugabe" gefüttert werden, um die Erosion,
die Eintiefung zu verhindern. Viele 100.000 cbm Kies verschlingt der
Strom im Lauf der Jahre. Der Wasserteufel, von dem Goethes Mephisto
gesprochen hat, er ist immer noch am Werk.


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