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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
86. Jahresband.2006
Seite: 134
(PDF, 120 MB)
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Ralf Bernd Herden

Selbst wenn man diese Entscheidung wiederum - zu Unrecht - ablehnen
wollte - allein die Tatsache, dass der Häftlingsarztschreiber für seinen
Vorgesetzten die Dissertation zusammenstellen und verfassen musste, entlarvt
die Promotion als unwürdig: Ein auf heimtückische und grausame Art
und Weise, auf Kosten anderer, erschlichener Doktortitel.

Und auch die Lektüre der Dissertation61 selbst zeigt, dass man von einer
medizinischen, wissenschaftlichen Leistung nicht sprechen kann: Ein, am
Ungeist der Zeit ergebnisorientiert argumentiertes, verbal breit getretenes,
aber inhaltlich spärliches Zusammengestoppel statistischer Fakten, auf lächerlichen
51 Seiten. Medizinischer Wert gleich Null, NS-Ideologiewert
dafür umso höher. Interessant und entlarvend ist aber vor allem der Satz
auf Seite zwei der Arbeit „Das Material, das ich von 800 Tätowierten der
verschiedenen Bevölkerungsschichten (Vorbestraften und nicht Vorbestraften
) gesammelt habe, entstammt einem großen Gefangenenlager". Auch
die Doktorväter hätten wohl erkennen müssen, welcher Ungeist der Zeit
ihnen aus diesen Zeilen entgegenstarrte ...

Abschließend sei ein schreckliches Erlebnis erwähnt, welches Martin Bormann
jr. als Vierzehnjähriger während der Weihnachtsferien 1944 auf dem
Obersalzberg in dem für Heinrich Himmler und seine Geliebte Hedwig
Potthast umgebauten „Schneewinkellehnen" zu erleiden hatte: „Im Erdge-
schoss haben wir Kinder Kakao und Kuchen bekommen und wurden da
versorgt, und die Mütter haben sich miteinander unterhalten. Dann wurden
wir Eingeladenen von der Besitzerin in dieses Stüberl heraufgeführt, dieses
Mansardenzimmer, Heinrichs Zimmer. Nur eine Lampe brannte, eine Stehlampe
, und uns wurde erklärt: Der Lampenschirm, das ist Pergament aus
Menschenhaut. ... Und dann die Prachtausgabe von Adolf Hitlers „Mein
Kampf", handgeschrieben auf Menschenrücken-Pergament. "62

Erich Wagner war übrigens kurz vor seiner Verhaftung durch einen
freundlichen Telefonanruf gewarnt worden, mit dem Hinweis, sich der drohenden
Verhaftung durch Flucht außer Landes zu entziehen. Es ist wahrscheinlich
, dass dieser Anruf von einer „undichten Stelle" aus den Reihen
der Polizei kam63 - auch dort waren noch immer genügend „Alte Kämpfer
" im Dienst, welche sich als verschworene Seilschaften ansahen. Trotzdem
erfolgte seine Festnahme am 5. August 1958. Im September darauf
mahnte noch ein Leserbrief in der „Lahrer Zeitung" Gerechtigkeit für
Wagner an, welcher sich dann am 22. März 1959 im Gerichtsgefängnis
Oberkirch selbst richtete. Dies hatte zur Folge, dass sich wenige Tage nach
dem Tod des „Mörders in Weiß" beim baden-württembergischen Ministerpräsidenten
mittels eines Briefes ein Rechtsanwalt meldete und eine genaue
Untersuchung des „unnötigen Selbstmordes" forderte.64 Der Anwalt
gehörte zum Sumpf der „Stillen Hilfe", einem leider noch bis 1994 gemeinnützigen
Verein, welcher sich der „Hilfe für verfolgte Nationalsozialisten
" - „weil der Rest der Gesellschaft diese Menschen doch vergessen


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