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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
86. Jahresband.2006
Seite: 139
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Der Arzt, der kein Mörder war

Dr. Gustav Ortmann aus Hornberg und „Die Blechschachtel"

Frank Flechtmann

„Mörder" waren sie fast alle nicht, denn ihre braunen Kollegen von der Paragraphenfront
hatten rechtzeitig im Krieg das Strafgesetzbuch geändert -
kurz nach dem Überfall auf die Sowjetunion.1 Und nach dem Krieg hatten
diese Experten, nunmehr in Bonn, wieder alles so arrangiert, dass man sie
allenfalls als „Gehilfen" belangen konnte. „Täter" waren nach höchstrichterlicher
Rechtsprechung nur die Herren Hitler, Himmler, Heydrich - denn
die waren schon lange tot. Nur diese Haupttäter hätten grundsätzlich aus
niedrigen Beweggründen gehandelt. Alle anderen, soweit sie nicht Exzesstäter
waren, töteten nur „auf Befehl" und waren damit keine Mörder.

Schon früh, gleich nach dem Krieg, wurde auf die unvorstellbaren Verbrechen
des Berufsstandes hingewiesen, der schon kraft seines Berufseides
diese Taten nicht hätte begehen dürfen. Dem Nürnberger Prozess 1946
folgten einige Prozesse gegen bestimmte Gruppen, u. a. gegen Ärzte. Aus
dem Nürnberger Ärzteprozess stammen die Unterlagen, die im März 1947
in Heidelberg veröffentlicht wurden (Alexander Mitscherlich und Fred
Mielke, Das Diktat der Menschenverachtung2). In der Dokumentation ging
es um die Tätigkeit von 23 SS-Ärzten und deutschen Wissenschaftlern:
Medizinische Versuche in den Lagern, das „Euthanasie"-Programm und
die „Jüdische Skelettsammlung für das Anatomische Institut der Reichsuniversität
Straßburg". Der rassistische Alltag der Erbgesundheitsgerichte
mit zehntausenden Verfahren kam dabei nicht vor.

Nachdem das deutsche Volk jahrzehntelang hin und wieder von Verbrechen
einzelner Ärzte gehört hatte - Mengele und Heim, Eisele und Heyde
alias Sawade, Ding-Schuler und Hirt - war im Sommer 2004 dann in der
Zeitung zu lesen, dass nun der ganze Berufsstand der NS-Mediziner endlich
untersucht werden solle. Die Daten der 97.000 Ärzte aus dem Reichsarztregister
lagen schon lange vor.

Ein paar Jahre bevor man nun endlich beschloss, den Berufsstand mit
dem hohen Ethos ganz zu untersuchen, widmete sich ein Arzt am Bodensee
der Aufgabe, am Beispiel eines bestimmten Arztes aus Hornberg die
Verbrechen der ganzen Zunft belletristisch zu verarbeiten.4

Die Titelgeschichte in dem Band „Die Blechschachtel - Erzählungen
aus der Medizin" - er ist 2000 in Konstanz erschienen - handelt von einer
Landarztpraxis in Hornberg. Nach dem Krieg war ein neuer Arzt aufgetaucht
und hatte sie weitergeführt. Er war verheiratet und hatte Kinder -
darunter der spätere Autor des Bandes. In der Erzählung kamen - „es war


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